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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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wehrte Lizzie Rose ab. Um ein Haar hätte sie hinzugefügt, dass die Polizisten sehr freundlich zu ihr gewesen waren, aber es fiel ihr gerade noch rechtzeitig auf, dass das nicht in diese Art von Schauspiel gepasst hätte.
    »Das ganze Haus haben se durchsucht!«, klagte Mrs Pinchbeck. »Ich hab sie nich’ aufhalten können. Dieser Sergeant wollte alles sehen – die Küche, die Speisekammer, den Kohlenkeller und alles!« Sie senkte die Stimme. »Nebenbei bemerkt, Herzchen, irgendwas is’ in der Speisekammer schlecht geworden. Ich weiß nich’ was, aber es stinkt zum Himmel.« Sie wedelte mit dem Taschentuch unter ihrer Nase herum. »Vielleicht tätest du Luce mal zur Hand gehen, um das in Ordnung zu bringen.«
    Lizzie Roses Mut sank. Mrs Pinchbecks Speisekammer war für jeden Menschen mit einer feinen Nase ein Folterkabinett, und Luce, das Mädchen für alles, war die griesgrämigste Person von ganz London. Lizzie Rose beschloss, dass Parsefall das Saubermachen in der Vorratskammer übernehmen würde.
    Mrs Pinchbeck kehrte zu dem Drama zurück, das sie gerade aufführte. »Es war mir unerträglich, dass diese fremden Männer mein Boudoir durchsuchen«, sagte sie und schauderte mit damenhafter Empörung. »Ich war in meinen Lebensgewohnheiten stets auf Vornehmheit und Anstand bedacht. ›Diesen Raum betreten Sie nicht!‹, habe ich gesagt und mich in den Türrahmen gestellt. ›Treten Sie zur Seite!‹, befahl mir der Polizist. Und darauf ich: ›Sie mögen mich beiseiteschieben, mögen mich zarte, schwache Frau zu Boden stoßen, aber nie‹« – Mrs Pinchbeck senkte ihre Stimme auf beeindruckende Weise – »›niemals werde ich vor Ihnen erzittern!‹«
    Es war ein erhabener Moment. Mrs Pinchbeck streckte die Brust vor und warf den Kopf zurück. Lizzie Rose kniete aufrecht neben ihr. Gemeinsam warfen sie sich in Pose und schufen das, was man im Theater ein Tableau nennt. Sie verharrten einige Sekunden in dieser Haltung, damit das imaginäre Publikum am hinteren Ende des Zimmers applaudieren konnte.
    »Liebe Mrs Pinchbeck«, hauchte Lizzie Rose, »wie tapfer Sie waren! Wie tugendhaft!«
    »Er hat’s verspürt«, sagte Mrs Pinchbeck mit schlichtem Stolz. »Ich konnt’s ihm ansehen. Aber das hat ihn nich’ aufgehalten.« Ihre Miene verdüsterte sich. »Er war derart versessen darauf, das Haus zu durchsuchen.«
    Eine tiefe Falte tauchte zwischen Lizzie Roses Augenbrauen auf. Sie vergaß die Szene, die sie gerade spielten, und erklärte: »Das ergibt keinen Sinn. Wenn Miss Wintermute von zu Hause weggelaufen wäre, käme sie vielleicht zu Parsefall und mir. Sie würde sich nicht in Ihrem Boudoir verstecken oder in Ihre Speisekammer schleichen.«
    »Sie glauben, dass sie entführt worden is’«, merkte Mrs Pinchback bedeutsam an. »Sie denken, dass Grisini das Mädchen entführt hat und es hier im Haus verstecken tut.« Die Vermieterin holte die Ginflasche unter dem Sofa hervor und goss einen Esslöffel voll in ihr Glas. »Aber was soll’s«, schloss sie und trank. »Sie finden nix, genau wie beim letzten Mal.«
    »Beim letzten Mal?«, wiederholte Lizzie Rose.
    Mrs Pinchbeck warf einen prüfenden Blick auf die Flasche, um zu sehen, wie viel Gin noch darin war, seufzte und schob sie wieder unter das Sofa. »Das muss so vor elf, zwölf Jahren gewesen sein. Das war, bevor ich Mr Pinchbeck kennengelernt und mich niedergelassen hab. Ich war in Brighton am Theatre Royal und ich habe die Angela in The Castle Spectre gespielt. Grisini hat am Brighton Dome Theatre Aufführungen gegeben. Wir wohnten in derselben Pension. Und da is’ dieser kleine Junge verschwunden. Er war im Dome, um die fantoccini zu sehen, und anschließend hat ihn sein Kindermädchen hinter die Bühne gebracht, weil er die Puppen aus der Nähe anschauen wollte. Und dann, das war am nächsten Tag, wurde er vermisst. Alle haben geglaubt, dass Grisini die Finger im Spiel hatte, weil er ja Ausländer is’. Also sind die Bullen in die Pension gekommen. Haben alles durchsucht, herumgestochert und herumgeschnüffelt und Fragen gestellt. Aber beweisen konnten se nichts, weil Grisini es gar nich’ war.«
    Die Haustür fiel krachend ins Schloss. Lizzie Rose hörte Gebell. Parsefall war mit dem Frühstück zurück. Das Gekläffe der Hunde versetzte den Papagei in Aufregung und er kreischte: »Ruin!« Und sogleich stimmte der Kanarienvogel aus voller Kehle mit einer Reihe gezwitscherter Variationen ein, die in einem Triller endeten.
    Lizzie Rose lehnte sich

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