Clara
Wisselward und Dornick, die Heinrichs in der letzten Nacht noch eigenhändig gezeichnet hatte und auf der alle entscheidenden Informationen zusammengefaßt waren.
Auch Ackermann stand da, sprachlos vor lauter Bewunderung. Er war einfach seinem sechsten Sinn gefolgt, der ihm meist zuverlässig mitteilte, wo im Präsidium gerade was los war.
»Man muß Poorten also zwischen Stromkilometer 843 und 848 in den Fluß geworfen haben«, erklärte Heinrichs weiter. »Das heißt, irgendwo zwischen Entenbusch und Elendshof. Alles andere können wir sicher ausschließen.« Auf einer zweiten Karte zeigte er ihnen die Strömungsverhältnisse in den verschiedenen Abschnitten des Rheins, die Windungen, das Rheinknie zwischen Rees und Reeser Schanz.
»Bonhoeffer schreibt in seinem Bericht, daß der Leichnam zwei bis drei Stunden an der Wasseroberfläche getrieben ist. Danach ist er abgesunken und für achtundvierzig bis maximal sechzig Stunden in weniger als fünf Metern Tiefe unter Wasser geblieben. Nach unseren Berechnungen kann das nur hier gewesen sein, im Dornicker Grund. Es paßt alles haargenau zusammen.«
»Dann fällt Nierdermörmter also flach«, murmelte Toppe »Ja«, sagte Heinrichs, »und ich glaube, ein größeres Schiff können wir auch ausschließen, sonst hätte man das Motorrad mit versenkt.«
»Und Helmut sagt, an der Reeser Schanz kann kein Schiff anlegen«, überlegte Astrid. »Dann ist das Motorrad auf dem Landweg dorthin gebracht worden. Aber warum erst jetzt, und vor allem warum ausgerechnet nach Niedermörmter?«
»Also, dat liegt doch auffer Hand«, mischte sich Ackermann ein. »Um den Verdacht auf Roeloffs zu lenken, oder?«
»Moment!« griff Heinrichs ein. »Ich bin doch noch gar nicht fertig. Schneider sagt, man muß die Leiche auf jeden Fall mit einem Motorboot transportiert haben, allenfalls mit einem Segelboot, aber das ist ziemlich unwahrscheinlich. Mit einem Ruderboot jedenfalls kommt man kaum bis zur Flußmitte bei der Strömung da. Wäre auch viel zu gefährlich im Dunkeln, denn auch nachts ist der Verkehr auf diesem Rheinabschnitt ganz schön dicht.«
Toppe setzte sich erst einmal hin und zündete sich eine Zigarette an. Auch Ackermann holte sein Tabakpäckchen raus. »Jetz’ wird et Zeit, die kleinen grauen Zellen in ’t Spiel zu bringen«, nuschelte er, mit dem Blättchen zwischen den Lippen.
»Sind nicht alle Motorboote irgendwo registriert?« fragte Astrid.
»Klar!« Ackermann war schneller als Heinrichs. »Beim Wasser- und Schiffahrtsamt in Duisburg.«
»Ganz genau, Ackermann.« Heinrichs setzte sich auch endlich. »Man müßte sich von denen eine Liste besorgen von allen Motorbooten, die zwischen Kilometer 843 und 848 liegen.«
»Und dann jedes einzelne auf Spuren untersuchen?«
Toppe runzelte die Stirn. »Mit nur einem Mann beim ED in absehbarer Zukunft?«
»Ich weiß et nich’.« Ackermann sinnierte. »Ich denk, man müßte sich dat alles ma’ in Ruhe vor Ort bekucken.«
»Meinst du, auf die Idee wäre ich noch nicht gekommen? Das würde ich wahrhaftig gern tun«, gab Heinrichs gekränkt zurück. »Aber unsereins.« Dann unterbrach er sich und sah elegisch aus dem Fenster.
»Kacke!« Ackermann sprang auf die Füße. »Ich muß machen, dat ich in meine Abteilung komm. War sowieso schon Zoff. Versprechen kann ich euch nix, aber wenn ich ma’ Leerlauf hab zwischendurch, da könnt ich ja ma’ in der Ecke ’n bisken rumgurken. Würd sich vielleicht auch nich’ schlecht als Familienausflug machen, weil, na, Sie wissen ja Bescheid, Chef.«
Heute abend war das Griether Pfarrheim nicht geschlossen. Ein Lederpolster zwischen den Drückern hielt die Haustür offen. Im Flur war es warm. Man hörte Stimmengemurmel, und oben spielte jemand Gitarre, aber zu sehen war kein Mensch. Toppe und Astrid betrachteten die Plakate an den Wänden: Keine Macht den Drogen, Come follow Jesus – to Dresden – Christival 96 und ein gelbes Poster mit einer Lilie in der Mitte: Wahre Liebe wartet – du bist es mir wert. An den unteren Rand hatte jemand T-Shirts im Pfarrbüro, auch im Original, 30 DM geschrieben.
Astrid faßte Toppes Hand. »Offenbar wartet sie doch nicht immer«, flüsterte sie. Die Tür mit der Aufschrift Büro stand halb offen und gab den Blick frei auf ein heftig knutschendes Paar.
»Das beruhigt mich sehr«, antwortete Toppe laut, und die beiden stoben auseinander.
Das Mädchen war flammrot geworden, fand aber als erste die Fassung wieder. »Guten Abend.«
»Guten
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