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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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spanischen und portugiesischen Wörtern antwortete, wobei diese in ihrer Aussprache wie zerhackt klangen. Lídia, die sich nicht gern im Fenster zeigte, verabschiedete sich. Kurz darauf erschien Henrique, vom Laufen ganz rot im Gesicht, mit dem Päckchen Tee und dem Wechselgeld. Sie belohnte ihn mit zehn Tostões und einem Kuss – und der Junge ging nach Hause.
    Mit gefüllter Teetasse, daneben einen Teller mit trockenem Gebäck, machte Lídia es sich wieder auf dem Bett bequem. Während sie aß, las sie ein Buch, das sie aus einem kleinen Schrank im Esszimmer geholt hatte. Sie füllte die Leere ihrer Tage mit der Lektüre von Romanen, sie besaß einige – von guten wie schlechten Autoren. In diesem Augenblick war sie gefesselt von der oberflächlichen und prinzipienlosen Welt der Familie
Maia
im gleichnamigen Roman. Sie trank den Tee in kleinen Schlucken, knabberte an einem Löffelbiskuit und las ein Stück, just jene Stelle, wo Maria Eduarda Carlos mit der Erklärung schmeichelt, dass »nicht nur ihr Herz erstarrt, sondern auch ihr Körper immer kalt geblieben war, kalt wie Marmor …«. Der Satz gefiel Lídia. Sie suchte nach einem Bleistift, um ihn anzustreichen, fand aber keinen. Mit dem Buch in der Hand erhob sie sich und ging zur Frisierkommode. Mit ihrem Lippenstift malte sie auf den Rand der Seite ein Zeichen, einen roten Strich, der auf ein Drama oder eine Farce hinwies.
    Aus dem Treppenhaus kam ein Besengeräusch. Gleich darauf setzte Dona Carmens schrille Stimme zu einem melancholischen Lied an. Und im Hintergrund waren das Rattern einer Nähmaschine und die kurzen Schläge eines Hammers auf Schuhsohlen zu hören.
    Lídia klemmte sich vorsichtig einen Löffelbiskuit zwischen die Zähne und wandte sich wieder ihrer Lektüre zu.

2
    D ie alte Uhr im Wohnzimmer, die Justina nach dem Tod der Eltern geerbt hatte, gab neun schnarrende Schläge von sich und dann das Ächzen einer ermüdeten Mechanik. Die Wohnung war so still, als wäre sie unbewohnt. Justina trug Filzpantoffeln und glitt leise wie ein Gespenst von einem Raum in den anderen. Sie passten so gut zueinander – sie und die Wohnung –, dass jeder sofort verstand, warum jede für sich nicht anders sein konnte, als sie war. Justina konnte nur in dieser Wohnung leben, und die Wohnung, so nackt und still, hätte ohne Justina nicht so sein können. Vom Fußboden, von den Möbeln her roch es muffig. Die ganze Luft roch muffig. Die ständig geschlossenen Fenster sorgten für Friedhofsatmosphäre – und Justina war so langsam und träge, dass die Wohnung niemals komplett geputzt war.
    Das Schlagen der Uhr, das die Stille vertrieben hatte, verhallte immer leiser und ferner. Nachdem sie alle Lampen ausgeschaltet hatte, setzte Justina sich auf einen Stuhl ans Fenster mit Blick auf die Straße. Sie saß gern dort, regungslos, ohne Beschäftigung, die Hände einfach im Schoß, den Blick in die Dunkelheit gerichtet, in welcher Erwartung, das wusste sie selbst nicht. Die Katze kam und rollte sich zu ihren Füßen zusammen, die Einzige, die ihr abends Gesellschaft leistete. Sie war ein stilles Tier mit fragendem Blick und gewundenen Bewegungen, offenbar hatte sie das Miauen verlernt. Wie ihre Herrin hatte sie sich an Stille gewöhnt und fügte sich darein wie sie.
    Die Zeit verging langsam. Das Ticktack der Uhr schob die Stille vor sich her, wollte sie ganz vertreiben, doch die Stille setzte ihr ihre dichte, schwere Masse entgegen, in der jegliche Laute untergingen. Unablässig kämpften alle beide, der Laut mit dem Starrsinn der Verzweiflung und der Gewissheit seines Todes, die Stille mit der Verachtung der Ewigkeit.
    Dann mischte sich ein lauteres Geräusch dazwischen: Menschen kamen die Treppe herunter. Wäre es noch Tag, hätte Justina fraglos durch den Spion geäugt, eher weil sie nichts anderes tun wollte oder zu tun hatte denn aus Neugier, doch am Abend war sie immer erschöpft und kraftlos und verspürte den sinnlosen Wunsch, zu weinen und zu sterben. Dennoch hätte sie, ohne zu zögern, gewettet, dass es Rosália, ihr Mann und ihre Tochter waren, die ins Kino gingen. Sie erkannte das am Lachen Maria Claudias, die ganz versessen auf Kinobesuche war.
    Kino … Wann war Justina zuletzt im Kino gewesen? Ja, der Tod ihrer Tochter … Doch schon vorher, wann war sie da zum letzten Mal im Kino? Matilde war mit ihrem Vater ins Kino gegangen, während sie immer zu Hause blieb. Warum? Weiß der Himmel! Sie ging nicht mit. Sie zeigte sich draußen nicht

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