Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
immer verlegen, wenn sie diesen Raum betrat. Die Luft in Lídias Schlafzimmer machte Maria Claudia benommen. Die Möbel waren schöner als alle, die sie je gesehen hatte, es gab Spiegel, Vorhänge, ein rotes Sofa, einen flauschigen Teppich, Parfümflakons auf der Frisierkommode, den Geruch nach teurem Tabak, doch nichts davon löste für sich allein ihre Verwirrung aus. Vielleicht war es alles zusammen, vielleicht Lídias Anwesenheit, etwas Vages, nicht Greifbares, wie ein Gas, das sämtliche Filter durchdringt und zerstörerisch wirkt. In der Atmosphäre dieses Schlafzimmers verlor sie stets die Fassung. Ihr wurde schwindlig, als hätte sie Champagner getrunken, und sie bekam unwiderstehliche Lust, Dummheiten zu machen.
»Da ist das Telefon«, sagte Lídia. Sie machte Anstalten, den Raum zu verlassen, doch Maria Claudia sagte schnell:
»Meinetwegen brauchen Sie nicht zu gehen, Dona Lídia. Das hier ist ganz unwichtig …«
Sie sagte den letzten Satz in einem Tonfall und mit einem Lächeln, die zu verstehen geben wollten, dass ganz andere Dinge wichtig seien und dass Dona Lídia sehr wohl wisse, welche. Sie stand im Zimmer, und Lídia forderte sie auf:
»Setz dich, Claudia! Setz dich aufs Bett.«
Maria Claudia setzte sich mit zitternden Beinen. Sie legte die freie Hand auf die mit blauem Satin bezogene Steppdecke, und ohne sich dessen bewusst zu sein, begann sie fast wollüstig darüberzustreicheln. Lídia wirkte gleichgültig. Sie hatte eine Schachtel Zigaretten geöffnet und sich eine Camel angezündet. Sie rauchte nicht, weil sie süchtig war oder weil sie es brauchte, Zigaretten gehörten zu einem ganzen Netz von Körperhaltungen, Worten und Gesten, die alle ein und demselben Zweck dienten: Eindruck zu machen. Das war für sie inzwischen zu einer zweiten Natur geworden – sobald sie Gesellschaft hatte, galt es Eindruck zu machen, ganz gleich wer ihre Gesellschaft war. Die Zigarette, das langsame Anreißen des Streichholzes, der erste Rauch, den sie bedächtig und verträumt ausstieß, all das war Teil ihres Spiels.
Maria Claudia erklärte am Telefon mit lebhafter Gestik und vielen Ausrufen, welch »grauenhafte« Kopfschmerzen sie habe. Sie verzog den Mund zu einer Schnute, verzog ihn so, als wäre sie sehr krank. Lídia beobachtete sie verstohlen. Schließlich legte Maria Claudia auf und erhob sich.
»So, erledigt. Und vielen Dank, Dona Lídia.«
»Ich bitte dich! Du weißt doch, du kannst jederzeit telefonieren kommen.«
»Wenn Sie gestatten, hier sind die fünf Tostões für den Anruf.«
»Dummerchen. Steck das ein. Wann gewöhnst du dir das endlich ab, mir fürs Telefonieren Geld geben zu wollen?«
Sie sahen einander an und lächelten. Plötzlich bekam Maria Claudia Angst. Es gab nichts, wovor sie Angst haben musste, zumindest nicht diese plötzliche, physische Angst, doch von einer Sekunde auf die andere spürte sie etwas Beängstigendes im Raum. Vielleicht verursachte die Luft, die sie kurz zuvor nur benommen gemacht hatte, ihr nun auf einmal Atemnot.
»Ja, dann gehe ich jetzt. Und noch einmal vielen Dank.«
»Willst du nicht noch ein bisschen bleiben?«
»Ich habe zu tun. Meine Mutter wartet auf mich.«
»Dann will ich dich nicht aufhalten.«
Lídia trug einen roten Morgenmantel aus steifem Taft, der so grünlich schillerte wie die harten Flügel mancher Käfer, und verströmte eine intensive Duftwolke. Während Maria Claudia das Rascheln des Stoffs hörte und vor allem den warmen, betäubenden Duft einatmete, einen Duft, der nicht nur von Lídias Parfüm herrührte, sondern auch von ihrem ganzen Körper, spürte sie, dass sie kurz davor war, endgültig die Fassung zu verlieren.
Nachdem Claudia mit nochmaligem Dank gegangen war, kehrte Lídia in ihr Schlafzimmer zurück. Die Zigarette glomm im Aschenbecher vor sich hin. Sie drückte sie an der Spitze aus. Dann legte sie sich aufs Bett. Sie faltete die Hände im Nacken und kuschelte sich an die weiche Steppdecke, die Maria Claudia gestreichelt hatte. Das Telefon klingelte. Mit einer ungemein trägen Bewegung nahm sie den Hörer ab.
»Ja, bitte … Ja … Ah ja! … Doch, doch. Was gibt es heute? … Gut. Das geht. … Nein, das nicht. Hmm! Gut, ja. … Und welches Obst? … Das mag ich nicht. … Sparen Sie sich die Mühe. Ich mag es nicht. … Das ja. … Gut. Bringen Sie es nicht zu spät. … Und denken Sie daran, die Monatsrechnung mitzuschicken. … Auf Wiederhören.«
Sie legte den Hörer auf und ließ sich wieder aufs
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