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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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drohende Gewitter zu vermeiden, bestand darin, nicht mehr hinzusehen, und das war nicht schwierig, denn Lídia war ja nicht mehr da. Doch die Versuchung war stärker als die Vernunft. Irgendwann, als er das Bespitzeln seiner Frau satthatte, öffnete er die Tür und fragte:
    »Hast du nichts zu tun?«
    Seine Frau sah ihn wortlos an und drehte ihm den Rücken zu. Caetano knallte die Tür zu und blickte nicht mehr hinaus. Als er das Badezimmer gewaschen und rasiert verließ, sah er, dass seine Frau in der Küche aus einem Koffer die kleinen Wäscheteile ausgepackt hatte, die Matilde gehört hatten. Hätte in ihren Augen nicht der anbetende Ausdruck gestanden, dann wäre er vielleicht vorbeigegangen, ohne sie zu attackieren. Doch ihn beschlich wieder das Gefühl, dass sie ihm Vorwürfe machte.
    »Wann hörst du auf, mich zu bespitzeln?«
    Justina ließ sich mit ihrer Antwort viel Zeit. Man konnte meinen, sie käme ganz langsam von sehr weit her, aus einem fernen Land, das nur einen Bewohner hatte.
    »Ich habe über deine Ausdauer gestaunt«, antwortete sie kühl.
    »Ausdauer, wieso?«, fragte er und kam einen Schritt näher.
    Er bot einen lächerlichen Anblick mit seinen nackten Beinen und in Unterhosen. Justina sah ihn spöttisch an. Sie wusste, dass sie hässlich war, aber als sie ihren Mann so, in diesem Aufzug, sah, hätte sie ihm am liebsten ins Gesicht gelacht.
    »Soll ich es dir sagen?«
    »Ja.«
    Caetano verlor den Kopf. Vor diesem »Ja« hätte er die Ohrfeige noch vermeiden können. Aber er hatte »Ja« gesagt, und nun bereute er es. Doch es war zu spät.
    »Hast du die Hoffnung noch immer nicht aufgegeben? Glaubst du immer noch, irgendwann wird sie dir in die Arme sinken? Hat dir die Schande, die du erlebt hast, noch nicht gereicht?« Caetanos Kinn zitterte vor Wut. Über seine dicken Lippen trat Speichel in die Mundwinkel. »Soll ihr Liebhaber dich wegen deiner Dreistigkeit noch einmal zur Rede stellen?«
    Und als gäbe sie ihm einen Rat, sagte sie ironisch wohlwollend:
    »Hab ein bisschen Anstand. Die ist viel zu fein für dich. Begnüg dich mit den anderen, deren Fotos du in der Brieftasche hast. Mein Geschmack ist das nicht. Wenn die ein Foto für ihre Dokumente machen lassen, geben sie dir auch eins, richtig? Du bist sozusagen eine Filiale der Polizei …«
    Caetano wurde bleich. Noch nie war seine Frau so weit gegangen. Er ballte die Fäuste und ging auf sie zu.
    »Irgendwann schlag ich dich zusammen! Irgendwann trete ich dich mit beiden Füßen! Hast du gehört? Bring mich nicht in Versuchung!«
    »Das kannst du gar nicht.«
    »Oh, du …«, eine dreckige Bezeichnung kam aus seinem Mund. Justina antwortete lediglich:
    »Deine Beleidigungen treffen nicht mich. Die treffen dich selbst, weil für dich alle Frauen das sind, was du eben gesagt hast.«
    Caetanos schwerer Körper schaukelte wie der eines Menschenaffen. Seine Wut, sein ohnmächtiger Zorn trieben ihm Wörter in den Mund, doch sie alle verhaspelten sich und behinderten einander. Er hob die geballte Faust, als wollte er sie seiner Frau auf den Kopf schlagen. Sie wich nicht aus. Langsam ließ er den Arm sinken. Justinas Augen funkelten wie glühendes Feuer. Gedemütigt verschwand Caetano im Schlafzimmer und knallte die Tür.
    Die Katze, die ihre Besitzer mit ihren meergrünen Augen beobachtet hatte, zog ab in den Flur und legte sich still und gleichgültig auf der Fußmatte schlafen.

19
    S eit zwei Stunden schon wälzte Isaura sich im Bett und konnte nicht einschlafen. Im ganzen Haus herrschte Stille. Von draußen waren nur ab und an die Schritte eines Passanten zu hören. Durch das Fenster fiel das bleiche, ferne Licht der Sterne. In der Dunkelheit des Zimmers waren die noch dunkleren Flecken der Möbel kaum zu erkennen. Der Spiegel des Kleiderschranks reflektierte vage das Licht, das vom Fenster kam. Alle Viertelstunde, unbeugsam wie die Zeit selbst, unterstrich die Uhr der Nachbarn von unten ihre Schlaflosigkeit. Alles lag still und schlief, nur Isaura nicht. Sie probierte alles Mögliche aus, um einzuschlafen. Immer wieder zählte sie bis tausend, entspannte einen Muskel nach dem anderen, schloss die Augen, versuchte, nicht an ihre Schlaflosigkeit zu denken, wollte sie überlisten und langsam in den Schlaf hinübergleiten. Vergeblich. Alle ihre Nerven waren hellwach. Abgesehen von der Anstrengung, die sie ihrem Gehirn abverlangte, um sich darauf zu konzentrieren, dass sie schlafen musste, führten ihre Gedanken sie über schwindelerregende

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