Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
sich noch ein Stück weiter. Legten sich auf Adrianas Arm. Sich voranschlängelnd rückte Isaura näher an ihre Schwester heran. Sie spürte die Wärme ihres ganzen Körpers. Langsam wanderte ihre Hand über den Arm, vom Handgelenk bis zur Schulter, schob sich sacht unter die warme, feuchte Achsel, dann langsam unter die Brust. Isauras Atem wurde schneller und unregelmäßig. Ihre Hand glitt unter dem leichten Stoff des Nachthemds hinunter zum Bauch. Mit einer abrupten Bewegung drehte sich die Schwester auf den Rücken. Adrianas nackte Schulter lag nun vor Isauras Mund, ihre Lippen spürten die Nähe des Körpers. Wie Feilspäne, von einem Magneten angezogen, sank Isauras Mund auf Adrianas Schulter. Es war ein langer, gieriger, wilder Kuss. Gleichzeitig griff ihre Hand fest um Adrianas Taille und zog sie zu sich heran. Adriana schreckte aus dem Schlaf hoch. Isaura ließ nicht von ihr ab. Ihr Mund klebte an der Schulter wie ein Saugnapf, ihre Finger gruben sich wie Krallen in ihre Hüfte. Mit einem Ausruf des Entsetzens riss Adriana sich los und sprang aus dem Bett. Sie lief zur Zimmertür, dann fiel ihr ein, dass nebenan die Mutter und die Tante schliefen, sie machte kehrt und flüchtete zum Fenster.
Isaura hatte sich nicht gerührt. Sie stellte sich schlafend. Doch Adriana kam nicht zurück. Sie hörte nur ihren pfeifenden Atem. Zwischen den halbgeschlossenen Lidern sah sie Adrianas Gestalt, die sich gegen den schimmernden Fensterhintergrund abzeichnete. Dann gab sie es auf, sich zu verstellen, und sagte leise:
»Adriana …«
Die Schwester antwortete mit zitternder Stimme:
»Was willst du?«
»Komm her.«
Adriana rührte sich nicht.
»Du erkältest dich …«, drängte Isaura.
»Das macht nichts.«
»Du kannst nicht da stehen bleiben. Komm her, sonst stehe ich auf.«
Adriana kam näher. Sie setzte sich auf die Bettkante und wollte die Nachttischlampe anschalten.
»Kein Licht«, bat Isaura.
»Warum nicht?«
»Ich will nicht, dass du mich siehst.«
»Was ist dabei?«
»Ich schäme mich …«
Sie sprachen im Flüsterton. Adrianas Stimme hatte sich wieder gefestigt, Isauras Stimme zitterte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
»Leg dich hin, bitte …«
»Nein, das tue ich nicht.«
»Warum nicht? Hast du Angst vor mir?«
Es dauerte, bis Adriana antwortete.
»Ja …«
»Ich tue dir nichts. Das verspreche ich. Ich weiß nicht, was das war. Ich schwöre es dir …«
Sie begann leise zu weinen. Adriana tastete sich zum Kleiderschrank, öffnete ihn und holte ihren warmen Mantel heraus. Sie wickelte sich darin ein und setzte sich neben das Bett.
»Willst du da sitzen bleiben?«, fragte Isaura.
»Ja.«
»Die ganze Nacht?«
»Ja.«
Ein heftiger Schluchzer erschütterte Isauras Brust. Fast im selben Moment ging im Nebenzimmer das Licht an, und Amélias Stimme fragte:
»Was ist da los?«
Adriana warf schnell den Mantel hinter das Bett und schlüpfte unter die Decke. Amélia erschien mit einem Umschlagtuch um die Schultern in der Tür.
»Was ist hier los?«
»Isaura hat einen Albtraum gehabt«, antwortete Adriana und stand auf, um ihre Schwester abzuschirmen.
Amélia kam näher.
»Ist sie krank?«
»Nein, schon gut, Tante Amélia. Sie hatte einen Albtraum. Geh wieder schlafen«, sagte Adriana.
»Na schön. Wenn ihr etwas braucht, sagt Bescheid.«
Die Tür wurde geschlossen, das Licht gelöscht, nach und nach kehrte wieder Stille ein, lediglich durch ersticktes Schluchzen unterbrochen. Die Abstände wurden größer, nur Isauras zitternde Schultern verrieten, wie aufgewühlt sie war. Adriana wartete ab. Allmählich wurden die Laken warm. Die beiden Körper vermengten ihre Wärme miteinander. Isaura flüsterte:
»Verzeihst du mir?«
Adriana antwortete nicht gleich. Um ihre Schwester zu beruhigen, musste sie »Ja« sagen, das wusste sie, doch aussprechen wollte sie eigentlich ein knappes »Nein«.
»Verzeihst du mir?«, fragte Isaura noch einmal.
»Ja …«
Isaura wollte ihre Schwester spontan umarmen und weinen, doch sie beherrschte sich, aus Furcht, Adriana könnte dies als neuerlichen Versuch verstehen. Sie ahnte, dass von nun an alles, was sie tat oder sagte, durch die Erinnerung an diese Momente vergiftet sein würde. Dass ihre Schwesterliebe entartet und verunreinigt war durch die schreckliche Schlaflosigkeit und alles, was sich dann abgespielt hatte. Erstickt flüsterte sie:
»Danke …«
Träge vergingen die Minuten und Stunden. Die Uhr unten band die Zeit zu
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