Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
Perlenkette zurecht. Damit erhielt ihre Toilette den letzten Schliff, und zwar aus befugter Hand: der festen, liebevollen Hand des Vaters.
»Geh, mein Kind«, sagte er feierlich.
Als Maria Claudia die Treppe in den ersten Stock hinunterging, hüpfte ihr Herz wie ein Vogel im Käfig. Sie war viel aufgeregter, als es den Anschein hatte. Unzählige Male war sie schon in Lídias Wohnung gewesen, doch niemals deren Liebhaber begegnet. Deshalb hatte dieser Besuch etwas von einem Geheimnis, einem Komplott, etwas Verbotenem. Sie durfte in Gegenwart von Paulino Morais erscheinen, erhielt sozusagen direkte Kenntnis von Lídias illegalem Verhältnis. Das erregte sie, es machte sie benommen.
Lídia öffnete lächelnd die Tür.
»Wir haben dich schon erwartet.«
Bei diesen Worten bekam Maria Claudia noch stärker das Gefühl von intimer Vertrautheit. Zitternd trat sie ein. Lídia trug ihren Taftmorgenmantel und Tanzschuhe mit zwei silbernen Riemchen um die Fesseln. Sie hatten mehr Ähnlichkeit mit Sandalen als mit richtigen Schuhen, und dennoch, was hätte Maria Claudia nicht dafür gegeben, solche Schuhe zu besitzen …
Da sie gewohnt war, ins Schlafzimmer zu gehen, machte sie einen Schritt in diese Richtung. Lídia lächelte.
»Nein, nicht dahin …«
Claudia schoss die Röte ins Gesicht. Und so, errötet und verwirrt, trat sie vor Paulino Morais, der sie im Jackett und mit brennendem Zigarillo im Wohnzimmer erwartete.
Lídia stellte sie einander vor. Paulino hatte sich erhoben. Mit der Hand, in der er den Zigarillo hielt, wies er Maria Claudia einen Stuhl an. Sie setzten sich. Paulino betrachtete Claudia äußerst interessiert, worauf Maria Claudia den Blick auf das geometrische Teppichmuster senkte.
»Paulino«, sagte Lídia, immer noch lächelnd, »siehst du nicht, dass du Fräulein Maria Claudia in Verlegenheit bringst?«
Paulino machte eine abrupte Bewegung und lächelte ebenfalls.
»Das war nicht meine Absicht.« Und dann zu Maria Claudia: »Ich hatte nicht erwartet, dass Sie noch so … so jung sind!«
»Ich bin neunzehn Jahre alt, Senhor Morais«, antwortete sie und blickte auf.
»Wie du siehst, ist sie noch ein Kind«, sagte Lídia.
Maria Claudia sah sie an. Ihre Augen begegneten sich, zuerst misstrauisch und plötzlich feindselig. Intuitiv las Maria Claudia in Lídias Gedanken, und was sie las, machte ihr Angst, doch zugleich erfreute es sie. Sie ahnte, dass sie in ihr eine Feindin hatte, und sie ahnte auch, warum. Sie sah Dona Lídia und sich selbst gleichsam mit den Augen einer dritten Person, als wäre diese Person zum Beispiel Paulino Morais, und der Vergleich fiel zu ihren Gunsten aus.
»Ein Kind bin ich eigentlich nicht mehr, Dona Lídia. Aber natürlich bin ich, wie Senhor Morais sagte, noch sehr jung.«
Lídia biss sich auf die Lippen. Sie hatte die Anspielung verstanden. Sofort fasste sie sich wieder und brach in Lachen aus.
»Das ist mir auch so gegangen. Als ich in deinem Alter war, fand ich es auch schrecklich, wenn man mich als Kind bezeichnete. Heute gebe ich zu, dass es stimmte. Und warum solltest du es dann nicht auch zugeben können?«
»Vielleicht, weil ich noch nicht so alt bin wie Sie, Dona Lídia …«
In kürzester Zeit hatte Maria Claudia den Schlagabtausch mit weiblichen Liebenswürdigkeiten gelernt. Wie beim Fechten hatte sie bei ihrem ersten Angriff zweimal touchiert und war selbst unverletzt, wenn auch leicht verängstigt: Sie fürchtete, für den Rest des Kampfes würden ihr Waffen und Ausdauer ausgehen. Zu ihrem Glück griff Paulino ein. Er holte sein goldenes Etui hervor und bot ihnen Zigaretten an. Lídia nahm eine.
»Sie rauchen nicht?«, fragte Paulino Maria Claudia.
Sie errötete. Sie hatte schon mehrmals heimlich geraucht, hatte aber das Gefühl, es sei besser, keine Zigarette zu nehmen. Das würde womöglich einen schlechten Eindruck machen, und außerdem war sie sich nicht sicher, ob sie die Zigarette so elegant halten und zum Mund führen konnte wie Lídia. Sie antwortete:
»Nein, Senhor Morais.«
»Sehr vernünftig.« Er verstummte, zog an seinem Zigarillo und fuhr fort: »Also, ich finde es nicht sehr nett, vor jemandem, der Ihrer beider Vater sein könnte, über das Alter zu sprechen.«
Seine Worte hatten eine angenehme Wirkung. Es trat Waffenruhe ein. Doch Claudia ergriff die Initiative. Mit einem – wie Anselmo gesagt hätte – bezaubernden Lächeln bemerkte sie:
»Sie machen sich älter, als sie tatsächlich sind, Senhor Morais …«
»Das
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