Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
lief in die Küche. Jetzt war ihr alles klar, jetzt wusste sie, warum … Hätte sie nicht dem Impuls nachgegeben und sich ihrem Mann nackt gezeigt, wäre nichts geschehen. Die Justina von heute wäre die gleiche wie gestern. Sie hatte gesprochen – und was hatte sie damit erreicht? Die unumstößliche Gewissheit, dass nun alles anders war. Dass sie dieses Mal nicht nachgegeben hatte, war nur ein Zufall. Das Porträt ihrer Tochter hätte nichts genützt, wenn die Diskussion ihr nicht die Kraft gegeben hätte, ihm zu widerstehen, und weil es auch erst ein paar Stunden her war … »Das heißt, wenn er nicht drängt, wenn er ein, zwei Tage verstreichen lässt und nach diesen zwei Tagen einen Versuch macht, werde ich nicht widerstehen …«
Gedankenverloren bereitete Justina das Frühstück. Und sie dachte: »Er ist ein Wüstling, deshalb habe ich ihn verachtet. Er ist immer noch ein Wüstling, deshalb verachte ich ihn immer noch. Und obwohl ich ihn verachte, habe ich mich hingegeben, und ich weiß, dass ich mich bei der nächsten Gelegenheit wieder hingeben werde. Sieht so die Ehe aus? Muss ich letztlich, nach all diesen Jahren, daraus schließen, dass ich womöglich genauso lüstern bin wie er? Wenn ich ihn liebte … wenn ich ihn liebte, würde ich nicht von Lüsternheit sprechen. Dann fände ich alles normal, ich würde mich immer so hingeben wie heute. Aber kann man denn, ohne zu lieben, das empfinden, was ich heute empfunden habe? Ich liebe ihn nicht, bin aber vor Lust fast wahnsinnig geworden. Ist es bei anderen Leuten auch so? Gibt es zwischen ihnen nur Hass und Lust? Und was ist mit der Liebe? Was nur die Liebe schenken sollte, kann diese animalische Begierde das also auch geben? Oder ist Liebe letztlich nur diese animalische Begierde?«
»Justina! Ich will aufstehen. Wo ist mein Schlafanzug?«
Jetzt schon aufstehen? Wollte er den ganzen Vormittag mit ihr zusammen verbringen … Sie ging ins Schlafzimmer, öffnete den Kleiderschrank und reichte ihrem Mann den Schlafanzug. Er nahm ihn wortlos entgegen. Justina sah ihn keine Sekunde an. Im Grunde ihres Herzens verachtete sie ihn immer noch und immer mehr, hatte aber nicht den Mut, ihm in die Augen zu sehen. Zitternd kehrte sie in die Küche zurück. »Ich habe Angst. Ich habe Angst vor ihm. Ich! Angst vor ihm! Hätte man mir das gestern gesagt, hätte ich gelacht …«
Die Hände in den Taschen, schlurfte Caetano auf dem Weg zum Badezimmer vorbei. Justina atmete auf: Sie hatte eine Vertraulichkeit befürchtet und war nicht darauf vorbereitet.
Im Badezimmer pfiff Caetano einen melodischen Fado. Er stellte sich vor den Spiegel, hörte auf zu pfeifen, befühlte sein Gesicht und rieb sich den harten Bart. Dann machte er den Rasierapparat fertig und pfiff währenddessen weiter. Er seifte sich ein und verzichtete aufs Pfeifen, um beim Rasieren kein Risiko einzugehen. Als er gerade letzte Hand anlegte, hörte er die Stimme seiner Frau hinter der geschlossenen Tür.
»Der Kaffee ist fertig.«
»Ist gut. Ich komme gleich.«
Für ihn zählte die Diskussion mit seiner Frau nicht. Er wusste, dass er gesiegt hatte. Ein gewisser Widerstand hatte sogar seinen Reiz. Dona Justina würde schon noch sehen, wie sie für alle Kränkungen, die sie ihm angetan hatte, büßen musste. Er hatte sie in der Hand. Wieso zum Teufel hatte er nicht schon früher daran gedacht, dass dies die beste Möglichkeit war, sie kleinzukriegen? Aus und vorbei ihre Verachtung, aus und vorbei ihr Stolz, Stück für Stück gebrochen! Ganz abgesehen davon, dass es ihr Spaß gemacht hatte, dem Luder. Sie hatte ihm ins Gesicht gespuckt, jawohl, aber auch dafür würde sie büßen. Er würde es ihr mit gleicher Münze heimzahlen, zumindest ein Mal. Wenn sie anfing, sich zu winden und ihr »Ah-ah-ah!« zu stöhnen, dann wollte er es ihr verpassen! Man konnte nicht wissen, wie sie reagierte. Vielleicht würde sie böse, aber wenn, dann erst hinterher.
Caetano war zufrieden. Selbst die Pickel am Hals bluteten nicht, als die Klinge darüberglitt. Seine Nerven hatten sich endlich beruhigt. Er war um sie herumscharwenzelt, das gab er durchaus zu, doch nun hatte er sie in der Hand. Selbst wenn sein früherer Widerwille neu erwachen sollte, womit fest zu rechnen war, würde er ihr »den technischen Beistand, den jeder Ehemann seiner Frau zu gewähren hat«, nicht versagen.
Über das Wort »technisch« in diesem Zusammenhang musste er lachen: »Technischer Beistand! Sehr komisch!«
Er wusch sich mit
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