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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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sagen sollte. Sie war zu keinem Gedanken mehr fähig. Ihr Mann schmunzelte. Bevor sie entzifferte, was das Schmunzeln bedeutete, sagte sie, ohne eigentlich zu wissen, warum:
    »Tu so, als wäre heute Nacht nichts gewesen. Ich halte es auch so.«
    Das Schmunzeln schwand von Caetanos Lippen. Eine tiefe Falte grub sich zwischen den Augenbrauen in die Stirn.
    »Das geht vielleicht nicht.«
    »Du kennst so viele andere Frauen, vergnüg dich mit denen …«
    »Wenn ich aber meine Rechte als Ehemann wahrnehmen will?«
    »Ich kann mich nicht verweigern, aber das wird dir bestimmt langweilig werden …«
    »Ich verstehe … Ich glaube, ich verstehe … Warum hast du dich dann heute Nacht nicht so verhalten?«
    »Wenn du nur ein Fünkchen Anstand hättest, würdest du das nicht fragen. Hast du vergessen, dass ich dir ins Gesicht gespuckt habe?«
    Caetanos Miene verhärtete sich. Die Hände, die auf der Decke lagen, ballten sich zur Faust. Es sah aus, als wollte er aufstehen, aber er blieb liegen. Langsam, in sarkastischem Ton antwortete er:
    »Stimmt, das hatte ich schon vergessen. Jetzt fällt es mir wieder ein. Aber ich kann mich auch erinnern, dass du nur einmal gespuckt hast …«
    Justina verstand die Anspielung und schwieg.
    »Und? Willst du nicht antworten?«, fragte ihr Mann.
    »Nein. Ich schäme mich, für dich und für mich.«
    »Und ich? Der von dir verachtet wurde?«
    »Das hast du verdient.«
    »Wer bist du, mich so zu verachten?«
    »Niemand, aber ich verachte dich.«
    »Warum?«
    »Ich verachte dich, seit ich dich kenne, und kennengelernt habe ich dich erst nach der Hochzeit. Du bist ein Wüstling.«
    Caetano zuckte gereizt die Achseln.
    »Du bist nur eifersüchtig.«
    »Ich, eifersüchtig? Dass ich nicht lache! Eifersüchtig ist man nur auf jemanden, den man liebt, und ich liebe dich nicht. Ich habe dich vielleicht einmal gemocht, aber das war schnell vorbei. Als mein Kind krank war, was hat dich das gekümmert? Dir hat ja die Zeit noch nicht mal für deine Liebschaften gereicht …«
    »Du redest Unsinn!«
    »Denk, was du willst. Ich will dir nur klarmachen, dass das, was heute Nacht passiert ist, nicht wieder vorkommen wird.«
    »Das werden wir ja sehen …«
    »Was soll das heißen?«
    »Du hast gesagt, ich sei ein Wüstling. Kann sein. Angenommen, ich interessiere mich aus irgendeinem Grund jetzt für dich …«
    »Spar dir dein Interesse. Und außerdem, seit wie vielen Jahren bin ich für dich keine Frau?«
    »Was du offenbar bedauerst …«
    Justina antwortete nicht. Ihr Mann sah sie hämisch an.
    »Bedauerst du das?«
    »Nein! Damit würde ich mich auf eine Ebene mit deinen Weibern begeben.«
    »Darf ich dich daran erinnern, dass ich es mit ihnen nicht so einfach habe? Dich müsste ich ja nur am Arm ziehen. Ich bin dein Mann …«
    »Mein Pech.«
    »Das ist eine Ungehörigkeit, nur dass du es weißt. Dass ich nicht reagiert habe, als du mich bespuckt hast, heißt nicht, dass ich bereit bin, mir jede Frechheit bieten zu lassen, hast du verstanden?«
    »Ja, aber es macht mir keine Angst. Du hast schon gedroht, mich mit Füßen zu treten, und ich habe nicht mit der Wimper gezuckt.«
    »Provozier mich nicht!«
    »Ich habe keine Angst!«
    »Justina!«
    Während der Diskussion war sie näher gekommen. Sie stand am Bett und blickte von oben auf ihren Mann. Mit einer ruckartigen Bewegung griff seine rechte Hand nach ihrem Handgelenk. Er zog sie nicht zu sich, hielt sie aber fest. Justina zitterte am ganzen Körper. Ihre Knie schlugen aneinander, als wollten sie nachgeben. Caetano murmelte heiser:
    »Du hast recht … Ich bin ein Wüstling. Ich weiß wohl, dass du mich nicht magst, aber seit ich dich neulich nachts gesehen habe, bin ich verrückt nach dir. Hörst du? … Verrückt nach dir. Wärst du heute Nacht nicht gekommen, hätte ich mich umgebracht!«
    Mehr noch als die Worte erschreckte Justina der Ton, in dem er sie sagte. Da sie merkte, dass Caetano sie langsam zu sich zog, versuchte sie verzweifelt, ihr Handgelenk zu befreien.
    »Lass mich los! Lass mich los!«
    Ihre schwachen Kräfte schwanden. Sie stand schon über ihn gebeugt, spürte schon den Herzschlag in den Ohren. Aber da fiel ihr Blick auf das Porträt ihrer Tochter, sie sah ihr beständig sanftes Lächeln. Sie stützte sich an der Bettkante ab und wehrte sich. Ihr Mann wollte sie mit der anderen Hand packen. Da wich sie ihm aus und grub ihre Zähne in die Finger, die sie festhielten. Mit einem Aufschrei ließ Caetano sie los.
    Sie

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