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Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis

Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis

Titel: Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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möglich nach Hause zurückzukehren. »Das bin ich dir und unserem Kind schuldig.« Sie hoffte, dass zu Hause wieder alles wie früher sein würde, wusste aber auch, wie trügerisch diese Hoffnung war. An Alex würde es nicht liegen. Sie vertraute dem greisen Medizinmann und seiner Frau und glaubte fest daran, dass Alex nach ihrer Rückkehr wieder ganz der Alte sein würde. Ihr Problem war Thomas Whittler. Wenn die lebenslängliche Strafe seines Sohnes bestätigt wurde, setzte er bestimmt alles daran, sich an ihr zu rächen. Und dann gab es noch Dezba, die indianische Hexe in ihrem Umhang aus Eulenfedern, die angeblich plante, ihr neugeborenes Baby zu entführen. Nur eine Legende, winkte sie im Halbschlaf ab, doch als sie ihre Augen schloss, sah sie den dunklen Schatten der Hexe an ihr vorbeihuschen, ihr schreiendes Baby in den Armen.

31
    Mit dem ersten Tageslicht, das durch das Fenster in die Abstellkammer fiel, wachte Clarissa auf. Von der unruhigen Nacht auf ihrem harten Lager taten ihr alle Knochen weh. Die Wolldecken hatten kaum etwas genützt, sie waren unbequemer als die Nachtlager aus Fichtenzweigen, auf denen sie während ihrer Fahrten durch die Wildnis geschlafen hatte. Mühsam unterdrückte sie ein Stöhnen.
    Es dauerte eine Weile, bis ihr einfiel, wo sie sich befand. Sofort beschleunigte sich ihr Puls, und sie lauschte angestrengt. Als Schritte im Flur laut wurden, verhielt sie sich vollkommen still; doch zum Glück entfernten sie sich wenig später. Ächzend stemmte sie sich vom Boden hoch. Sie trat ans Fenster, das nach hinten rausging, und sah die Victoria im Hafen liegen, das Dampfschiff mit dem Firmenzeichen der Alaska Steamship Line auf den Schloten, das um acht Uhr nach Alaska aufbrechen würde. Nach dem Stand der Sonne, die allerdings nur als heller Fleck hinter den Wolken im Osten zu sehen war, musste es zwischen sechs und sieben Uhr sein. Seitdem sie in der Wildnis lebte, verstand sie die Zeichen der Natur viel genauer zu lesen. Es hatte aufgehört zu regnen.
    Der Captain und seine Mannschaft waren bereits an Bord und trafen die Vorbereitungen für das Auslaufen. Die Matrosen schrubbten die Decks und überprüften die Rettungsboote. Die Stewards liefen von einer Kabine zur anderen, frische Bettwäsche und Handtücher über den Armen. Wie gern hätte sie zu den Passagieren gehört! Achtundzwanzig Dollar trennten sie von einer Passage auf dem Dampfschiff. Was sollte sie bloß tun? Sie besaß nicht mal ein paar Cent, um sich etwas zu essen zu kaufen. Sollte sie betteln? Oder in den Abfalltonnen nach etwas Essbarem suchen? Sich der Polizei stellen und darauf hoffen, dass man ihr glauben würde? Vielleicht blieb ihr gar nichts anderes übrig. Aber wäre das Glück dann auch noch auf ihrer Seite? Wenn es ihr irgendwie gelang, als blinde Passagierin an Bord der Victoria zu kommen, so wie damals, als sie aus Port Essington geflohen war? Unmöglich, räumte sie ein. In dem winzigen Hafen an der kanadischen Küste hatte dichter Nebel über dem Meer gelegen, und sie war unbemerkt mit einem Ruderboot bis dicht an das Schiff herangekommen. Vancouver war ein riesiger Hafen, in dem man sie sofort entdecken würde, und es gab keinen Nebel.
    Sie musste raus aus der Stadt, erkannte sie, mit einem Güterzug, einem fahrenden Händler, der Mitleid mit ihr hatte, oder zu Fuß. Dann würde sie weitersehen. Erst einmal raus aus Vancouver und weg von Thomas Whittler, der bestimmt die Polizei und alle seine Handlanger alarmiert hatte, um sie zu finden. Aber bevor sie ging, würde sie zur Anlegestelle gehen und einen Blick auf die Victoria werfen. Der Anblick des Dampfschiffes und der Passagiere würde ihr die Kraft geben, sich nicht unterkriegen zu lassen und irgendwo Arbeit zu suchen, bis sie sich das Ticket nach Alaska leisten konnte. Sie durfte nicht aufgeben, das schuldete sie Alex und ihrem ungeborenen Kind.
    Sie strich ihren Rock und ihre Bluse glatt und richtete ihre Haare, so gut es ohne Kamm oder Bürste ging. Den flachen Hut steckte sie mit zwei Nadeln fest. Ein wenig Rosenwasser hätte nicht geschadet, schon wegen des muffigen Geruchs, der in der Abstellkammer herrschte, und sie hätte sonst etwas für frische Unterwäsche gegeben, aber sie besaß nur die Kleidung, die sie am Körper trug, und den Mantel, der ihr allmählich zu eng wurde, sie aber gegen neugierige Blicke wegen ihres verknitterten Rocks und der Bluse und gegen den frischen Wind schützen würde, der von den nahen Bergen herabwehte.
    Bevor sie

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