Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Berufungsverhandlung für seinen Sohn aussagen, und es würde vermutlich zu einer Bestätigung des Urteils kommen. Nach dem Verdacht, den die Province nach den Informationen von Dolly geschildert hatte, war sein Ruf mehr als angeknackst, und der Staatsanwalt würde leichtes Spiel haben.
Ihm blieb nur die Rache. Sobald die Verhandlung vorüber war, in einer knappen Woche also, würde er nach Alaska zurückkehren und alles daransetzen, um sie für seine Niederlage büßen zu lassen. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass er in seiner Wut einen Fehler beging und eines seiner Verbrechen zugab. Auch Thomas Whittler würde erst Ruhe geben, wenn er hinter Gittern saß … wie sein Sohn. Clarissa hoffte inständig, dass es dazu kam, denn noch einmal, so befürchtete sie, würde sie nicht die Energie aufbringen, sich auf der Flucht vor einem Whittler durch die Wildnis zu schlagen.
Nachdem sie die Bucht hinter sich gelassen hatten, klopfte Sam Ralston und sagte: »Darf ich Sie zum Frühstück begleiten, Ma’am? Ich nehme an, Sie haben großen Hunger. Auf der Karte stehen Rühreier mit Schinken und Toast, und wenn Sie wollen, können Sie noch Pfannkuchen mit Sirup haben.«
»Am besten zwei Portionen«, erwiderte sie. »So viel Hunger wie heute hatte ich noch nie.« Sie berührte lächelnd ihren gewölbten Bauch. »Außerdem muss ich ein Kind ernähren, und das isst Pfannkuchen für sein Leben gern.«
Sie betraten den Speisesaal, prunkvoll im Vergleich zu dem einfachen Raum auf dem Frachter, und bekamen einen Tisch am Fenster. Der Ober schrieb amüsiert mit, als Clarissa ihm ihre Bestellung diktierte und hinzufügte: »Und wenn Sie haben, bitte noch eine saure Gurke zu den Pfannkuchen.«
Sam Ralston begnügte sich mit einer Portion Rührei und Kaffee.
»Ich zahle Ihnen alles zurück, wenn wir in Fairbanks sind«, versprach sie, als der Ober gegangen war. »Wenn Thomas Whittler nicht in der Bank aufgetaucht wäre, würde ich es jetzt schon tun … wenigstens zum Teil.« Sie berichtete ihm von ihrem Missgeschick in der Bank. »Den Beutel hat bestimmt er.«
»Ich bin froh, wenn ich ihm eins auswischen kann. Selbstgerechte Männer wie ihn kann ich sowieso nicht leiden, er denkt doch Tag und Nacht nur daran, wie er seinen Reichtum vermehren kann … auf Kosten der Schwachen.«
»Ähnlich wie beim Pokern?«
Der Ober brachte seinen Kaffee und ihren Tee und stellte zwei Kännchen mit Milch und eine Schale mit Zucker daneben. Dazu gab es Orangensaft.
»Beim Pokern haben alle die gleichen Chancen«, erwiderte er. »Und wer nichts riskieren will, kann in jedem Spiel aussteigen. Reine Nervensache. Sobald man zu gierig wird, geht die Sache schief, und man steht am Ende mit heruntergelassenen Hosen da. Ich war noch nie gierig. Umso nüchterner man an ein Spiel herangeht, desto besser. Die Whittlers sind sehr schlechte Spieler.«
»Sie haben eine Menge Geld angehäuft.«
»Und sind tief gefallen.«
Das Frühstück kam, und Clarissa verschlang das halbe Rührei, bevor sie fragte: »Wie ist es Ihnen die letzten Monate ergangen, Sam? Der Goldrausch in Nome war kurz und heftig, da gab es sicher nicht viel zu holen für Sie.«
»Ganz im Gegenteil«, widersprach er, und diesmal lächelte er auch mit den Augen. »In den Saloons habe ich mehr verdient als die meisten Männer auf den Goldfeldern. Leider habe ich auf der Rückfahrt eine Frau kennengelernt …« Er blickte nachdenklich in seinen Kaffee, während er weitersprach. »… eine sehr hübsche Frau. Sie machte mir schöne Augen, und ich fiel auf sie herein, und als ich in Vancouver nach meiner Brieftasche suchte, war sie verschwunden. Zum Glück trage ich immer eine eiserne Reserve bei mir. Ich ging nach San Francisco und gewann dort ein kleines Vermögen.« Er blickte sie an und lächelte wieder. »Das Leben ist ein einziges Auf und Ab, nicht wahr? Anders könnte ich es auch gar nicht ertragen. Diesen Sommer will ich mein Glück in Fairbanks versuchen. Eine interessante Stadt, habe ich gehört.«
»Der Goldrausch hat sie verdorben.« Sie hatte ihr Rührei verschlungen und machte sich an die Pfannkuchen. »Letzten Winter gab es Ärger mit einigen Goldsuchern und einem Indianerhasser, der unbedingt Bürgermeister werden wollte. Immerhin hat der Deputy U.S. Marshal sein Büro jetzt in Fairbanks. Alex und ich wohnen außerhalb, an einem Nebenfluss des Chena River. Meine Freundin Dolly hat in der Nähe ein Roadhouse eröffnet. Sie erinnern sich an sie? Sie ist wieder mit einem
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