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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Mann wie er nur mit ein paar Geldscheinen winken musste, um einen angeblichen Zeugen zu einer Falschaussage zu bewegen? Wer gab sich dafür her, sie für eine Tat, die sie nicht begangen hatte, ins Gefängnis zu schicken?
    Whittler beschrieb sie dem Kapitän. Zum Glück existierte keine Fotografie von ihr, und er konnte sich höchstens auf eine Zeichnung verlassen, die er aber ebenfalls nicht dabeihatte. Die einzige Fotografie, die es von ihr gab, zeigte sie als Baby in den Armen ihrer Mutter, und selbst die war verschollen.
    »Also meinetwegen«, gab der Kapitän nach, »es soll mir niemand nachsagen, dass ich der Polizei meine Hilfe verweigere.« Er gab den Matrosen, die Whittler an Bord geholfen hatten, den Befehl, das Schiff zu durchsuchen und rief ihnen nach: »Die anderen Männer der Nachtwache sollen euch helfen.«
    Zu Whittler sagte er: »Aber die Kabinen auf dem Saloondeck bleiben verschlossen. Die Passagiere dort haben viel Geld für die Passage bezahlt und ein Recht darauf, in ihrer Nachtruhe nicht gestört zu werden. Falls Sie recht hätten, und sie wäre tatsächlich an Bord, käme sie dort sowieso nicht rein.«
    Whittler zeigte sich seltsamerweise einverstanden und nickte schwach. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich selbst ein wenig umsehe?«
    »Solange Sie nicht an die Kabinentüren klopfen?«
    Aus ihrem Versteck beobachtete Clarissa, wie Frank Whittler den Niedergang hinabstieg und in dem überdachten Gang mit den Kabinen verschwand. Ob er sich an die Anweisung des Kapitäns hielt, war nicht zu hören. Sie sah nur, wie der Kapitän kopfschüttelnd an die Reling trat und missmutig aufs Wasser hinabblickte. Er hatte sich diese Nacht wohl auch ruhiger vorgestellt.
    Sie spähte schräg nach unten und sah Whittler aus dem überdachten Gang mit den Kabinen herauskommen. Er blickte zu ihr herauf, und sie hatte für einen Moment das Gefühl, entdeckt worden zu sein. Ihre rechte Hand umklammerte den Revolver in ihrer Jackentasche. Doch Whittler wandte sich sofort wieder nach vorn und kam gar nicht auf die Idee, in den Booten nachzusehen. Wenn er jemals erfuhr, wo sie sich versteckt hatte, würde er wohl einen Tobsuchtsanfall bekommen. Er kehrte zum Kapitän zurück und zuckte die Achseln. »Wer hat denn die teuren Kabinen gebucht?« ließ er nicht locker.
    »Respektable Bürger aus Vancouver und Victoria«, antwortete der Kapitän, sichtlich verärgert, sich mit Whittler und dessen Problemen beschäftigen zu müssen. »Ein Geschäftsmann mit seiner Familie, der mehrere Konservenfabriken in Juneau und Sitka besitzt. Ein Goldgräber, der am Klondike reich wurde und sich in Dawson City niederlassen will. Ein Gentleman aus Chicago, der im Hohen Norden in Grundstücke investieren will. Alles Leute, die sicher auch Aktien der Canadian Pacific besitzen und nicht gerade erfreut darüber wären, wenn man sie nachts aus dem Schlaf reißt.«
    Clarissa spürte, wie sich ihr linkes Bein verkrampfte, und massierte es vorsichtig mit einer Hand. Jede unbedachte Bewegung hätte das Boot zum Schaukeln bringen und sie verraten können. Mit zusammengepressten Lippen ertrug sie den Schmerz. Als er endlich nachließ, atmete sie erleichtert auf.
    Die Zeit, bis die Matrosen von ihrer Suche zurückkehrten, schien ewig zu dauern. Whittler stieg abermals auf eines der unteren Decks, wo er mit einem Glücksritter aneinandergeriet, der in dem überfüllten Schlafraum des Zwischendecks wohl keine Ruhe fand und an die Reling getreten war. Anscheinend machte er sich über die vornehme Kleidung von Whittler lustig und forderte ihn auf, bei seinesgleichen zu bleiben, denn Whittler reagierte ausgesprochen ungehalten und erwiderte: »An Ihrer Stelle wäre ich still, Mister. Ich bin im Auftrag der Polizei hier und kann Sie jederzeit verhaften, falls Sie glauben, einen Gentleman beleidigen zu müssen.«
    Whittler kehrte zurück und machte dem Kapitän gegenüber eine leise Bemerkung, die sie nicht verstand, dann lehnte er sich mit dem Rücken an die Reling und wartete stumm. Sein Gesicht war zu einer ausdruckslosen Maske erstarrt und ließ nicht erkennen, wie sehr er sich darüber ärgerte, sie nicht in der Stadt erwischt zu haben. Wäre Clarissa nicht in einer so verzweifelten Lage gewesen, hätte sie vielleicht sogar gelächelt. Reiche und mächtige Männer wie er waren es einfach nicht gewöhnt, in die Enge getrieben zu werden.
    Nach einer geraumen Zeit, die ihr wie eine halbe Ewigkeit vorkam, kehrten die Matrosen zurück. »Tut mir

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