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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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nächsten Schiff folgte, musste sie in Betracht ziehen. Oder der Kapitän lieferte sie im nächsten Hafen der Polizei aus. Selbst wenn sie jetzt in Sicherheit war, konnte ihre Flucht noch ein tragisches Ende nehmen.
    Sie veränderte ihre Lage, achtete so gut wie möglich darauf, nicht in der Wasserlache zu landen, und hielt sich an einer der Sitzbänke fest. Durch den schmalen Spalt zwischen der Plane und dem Bootsrand beobachtete sie, wie die Nebelschwaden dünner und durchlässiger wurden, und sich die Sonne zwischen die Wolken drängte. Orangefarbenes Licht flammte am Himmel auf und ergoss sich auf das Meer, das seine bleifarbenen Schatten verlor und auf einmal freundlich und einladend wirkte. Als Tochter eines Fischers liebte sie das Meer genauso sehr wie die Berge.
    An diesem Morgen verriet ihr die Farbe des Meeres lediglich, dass es nun nicht mehr lange bis zur Abfahrt des Schiffes dauern würde. Auf dem Saloondeck standen bereits die ersten Passagiere an der Reling, vor allem Männer aller Schattierungen, junge und alte, schüchterne und draufgängerische, teuer und nachlässig gekleidete, und alle waren von dieser nervösen Unruhe ergriffen, die die Glücksritter und Goldsucher auszeichnete. Auch ein Jahr, nachdem der Goldrausch am Klondike begonnen hatte, zog es noch so viele Männer nach Norden, dass sämtliche Schiffe nach Alaska restlos ausgebucht waren und die Pacific Coast Steamship Company sogar mehrere Dampfer auf dieser Route einsetzte.
    Auf dem obersten Deck waren nur Matrosen zu sehen. Einer säuberte den nassen Boden mit einem Schrubber, zwei andere wickelten eine Taurolle auf, und wieder andere überprüften die Takelage an einem der Masten. Nur an der erwartungsvollen Haltung des Kapitäns, der für einige Minuten an die Reling getreten war, erkannte sie, dass ein Boot längsseits anlegte, vor allem mit Fracht und Post, aber auch Vorräten für die Bordküche. Der Kapitän trug einem Maat lautstark auf, für die Verteilung zu sorgen. Er blickte noch einige Minuten auf das Boot hinab und zog sich anschließend auf die Brücke zurück. Kein einziger Passagier war mit dem Boot gekommen, und schon gar nicht Alex.
    Die Morgensonne tauchte das Vorderdeck in helles Licht, als die Maschinen im Bauch des Schiffes zu arbeiten begannen, und ein dumpfes Rumoren ihr Rettungsboot zum Zittern brachte. Aufgeregte Befehle hallten über die Decks. Vom Bug drang das Rasseln der schweren Ankerkette herüber, aus dem Schlot drang schwarzer Qualm. Er zog über das Oberdeck und drang unter ihre Plane, bis sie kaum noch Luft bekam. Ihr verzweifeltes Husten ging in dem lauten Tuten unter, mit dem der Kapitän die Abfahrt des Schiffes ankündigte. Das dumpfe Grollen der Maschinen schwoll zu einem lauten Dröhnen an, und die S.S. California ging auf Kurs.
    Clarissas Blick war nicht nach vorn gerichtet. Sie blickte wehmütig zur Küste zurück, als das Schiff drehte, und verabschiedete sich von der Stadt und den Wäldern, die während der letzten beiden Jahre ihre Heimat gewesen waren. Von Mary Redfeather, der freundlichen Pensionswirtin, und Maggie, ihrer indianischen Freundin, vom Schmied, dem Besitzer des Gemischtwarenladens und dem Polizisten. Von den vielen Menschen, die sie kennengelernt und lieb gewonnen hatte, obwohl sie und Alex weit draußen gewohnt hatten und nur alle paar Wochen in die Stadt gekommen waren. Vermutlich sah sie diese Menschen niemals wieder. Sie würden genauso aus ihrem Leben verschwinden wie ihre Freunde und Bekannten in Vancouver und ihren Platz für die neuen Menschen räumen, die sie im fernen Alaska treffen würde.
    Nur Alex würde sie niemals verlassen. Wenn er lebte, und eine innere Stimme sagte ihr, dass der verlorene Stiefel nichts zu bedeuten hatte und er tatsächlich am Leben war, würde sie eine Möglichkeit finden, sich wieder mit ihm zu vereinen. Er würde nach ihr suchen und sie finden, so wie vor zwei Jahren, oder sie würde ihm telegrafieren oder einen Brief schreiben und ihm sagen, wo er sie treffen konnte. Wenn sie den Brief an Mary Redfeather richtete, würde ihr auch Whittler nicht auf die Spur kommen. Sobald sie mit Alex vereinigt war, würden sie für immer aus seinem Dunstkreis verschwinden und den rachsüchtigen Millionärssohn endgültig aus ihren Gedanken verbannen.
    Clarissa wartete ungefähr eine Stunde, bis sie es wagte, ihr Versteck zu verlassen. Zwischen den vielen Passagieren auf den unteren Decks fiel sie vielleicht gar nicht auf, auch wenn die meisten Männer

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