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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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über den Tischen, als ein Diener dem Mann, der in der Ecke saß, etwas zuflüsterte. Mit einem Lächeln erhob sich der Mann und ging nach draußen, um die neu eingetroffenen Gäste zu begrüßen.
    »Ihr werdet nie glauben, wer hier ist«, sagte der Mann zu dem Reiter, der von seinem Pferd stieg.
    »Was! Keine Begrüßung? « fragte dieser sarkastisch. »Keine fürsorgliche Frage, wie es mir unterwegs ergangen ist? Komm, John, du läßt ja die Zügel schleifen. «
    »Ich blieb nüchtern, damit ich dir das sagen kann. Das sollte genügen. «
    »Wie wahr, das ist ein großes Opfer. « Er überließ sein Pferd einem Diener. »Also, was ist so wichtig, daß es nicht warten kann, bis ich ein paar Becher Wein getrunken habe? «
    »Ah, Pagnell, du bist zu ungeduldig. Erinnerst du dich an diesen kleinen Singvogel vom vergangenen Winter? Der dir einen Schlag über den Kopf versetzt hat? «
    Pagnell wurde starr, sah John mit funkelnden Augen an. Es juckte ihn in den Fingern, die häßliche Narbe an seiner Stirn zu berühren. Seit jener Nacht litt er an Kopfschmerzen, und obwohl er ein paar Leute aus der Stadt zu Tode gefoltert hatte, wollte ihm keiner verraten, wo sie steckte. Jedesmal, wenn der Schmerz wie eine glühende Nadel durch seinen Kopf fuhr, schwor er, daß er sie dafür auf den Scheiterhaufen bringen und für dieses Leiden büßen lassen würde. »Wo steckt sie? «
    John lachte tief in seinem Hals. »Dort drin mit einem Fratz im Leib. Sie reist mit einem hübschen Burschen, und die beiden singen so schön, wie man es nur hören möchte. «
    »Jetzt? Ich dachte, sie schliefen schon alle. «
    »Das tun sie; doch ich habe die Stelle markiert, wo der Bursche und der Singvogel ihre Lagerstatt haben. «
    Pagnell stand einen Moment still und überlegte sich seinen nächsten Zug. Als er mit seinen Freunden über die Stadtmauer gestiegen war und nach Clarissa gesucht hatte, waren sie betrunken gewesen und hatten die Sache verdorben. Diesen Fehler durfte er nicht wiederholen. »Wenn sie schreit«, sagte Pagnell, »wird man ihr zu Hilfe eilen? «
    »Die meisten Gäste sind volltrunken; das Schnarchen ist so laut, daß selbst ein explodierendes Pulverfaß in diesem Lärm unterginge. «
    Pagnell sah zu dem alten verwitterten Turm empor. »Hat dieses Schloß ein Verlies, einen Ort, wo man Gefangene festhalten kann, ehe sie dem Henker überliefert werden? «
    »Warum so lange warten? Wir werden sie an einen Pfahl binden und bei Sonnenaufgang verbrennen. «
    »Nein, das wird einigen mißfallen, und wer weiß, wie der König in seiner melancholischen Stimmung darauf reagieren wird? Wir werden das auf gesetzliche Weise tun. Ein Vetter von mir leitet nicht weit von hier entfernt einen Gerichtshof. Wir werden die Schlampe in den Keller sperren, dann werde ich mit meinem Vetter reden, und wenn ich zurückkomme, werden wir sie verurteilen lassen. Dann sehen wir zu, wie sie verbrennt. Nun zeig mir, wo sie ist. «
    Clarissa lag in einem unruhigen Schlummer, versuchte, so gut es ging, ihren dicken Leib zu lagern, als ein schreckliches Wispern ihr Ohr erreichte. Die Stimme, die sie nie vergessen hatte und nie vergessen würde, schickte Schauer durch ihre Wirbelsäule und erzeugte eine Gänsehaut.
    »Wenn du willst, daß dein kleiner Spielgefährte am Leben bleibt, schweig still«, sagte die Stimme.
    Zugleich preßte sich eine scharfe Messerschneide gegen ihre Kehle. Sie mußte nicht erst die Augen öffnen, um die höhnische Fratze von Pagnell über ihrem Gesicht zu sehen. Es war eine Fratze, die sie in monatelangen Alpträumen heimgesucht hatte.
    »Hast du an mich gedacht, Süße? « flüsterte er, sein Gesicht ganz, ganz nahe bei ihrem. Seine Hände glitten nach unten, um ihren harten Leib zu streicheln. »Du hast einem anderen gegeben, was du gewaltsam verweigertest. Dafür wirst du sterben. «
    »Nein«, flüsterte Clarissa, während das Messer in ihre Haut schnitt.
    »Du wirst ganz friedlich mitgehen, oder muß ich das Messer in sein Herz treiben? «
    Sie wußte, wen er meinte. Jocelin schlief nicht weit von ihr entfernt. Sein Atem kam regelmäßig und tief, so daß er von der Gefahr für sein Leben nichts ahnte.
    »Ich werde mitgehen«, gelang es ihr zu antworten.
    Zitternd und zu entsetzt für Tränen, erhob sich Clarissa von ihrem Strohsack, wobei Pagnells Messerklinge über ihren Hals schabte. Es war nicht einfach, sich einen Weg zwischen den auf dem Boden ausgestreckten Körpern zu suchen. Jedesmal, wenn sie stolperte, verdrehte

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