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Clark Mary Higgins

Clark Mary Higgins

Titel: Clark Mary Higgins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlaf Wohl Mein Sußes Kind
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zuging,
hatte er schon geglaubt, daß jetzt die Gelegenheit für ihn gekommen war.
    Um zwei Uhr früh an diesem Morgen erwachte Neeve aus tiefem Schlaf. Sie hatte geträumt, daß sie vor Ethels Kleiderschrank stand und eine Liste aufstellte.
Eine Liste!
»Hoffentlich platzt sie dort, wo sie ist, vor Hitze…«
Das war’s! Die Mäntel. Sie waren vollzählig da.
Ethel hatte ihren Artikel am Donnerstag abgeliefert. Niemand
    hatte sie am Freitag gesehen. Beide Tage waren windig und
scheußlich kalt gewesen. Am Freitag hatte es einen Schneesturm
gegeben. Doch sämtliche Wintermäntel, die Ethel besaß, hingen
an ihrem Platz im Kleiderschrank…
    Nicky Sepetti fröstelte in der Wolljacke mit Zopfmuster, die
seine Frau ihm im selben Jahr gestrickt hatte, als er ins Gefängnis kam. Sie paßte ihm noch in der Schulterbreite, aber um die
Taille war sie ihm viel zu weit. Er hatte im Gefängnis fast dreißig Pfund abgenommen.
    Von seiner Wohnung bis zur Strandpromenade war es nur einen Häuserblock weit. Mit unwirschem Kopfschütteln über die
Ermahnungen seiner Frau – »Bind einen Schal um, Nicky! Du
hast vergessen, wie scharf der Wind vom Meer her bläst.« –
stieß er die Haustür auf und schloß sie hinter sich wieder. Der
würzige Salzgeruch der Luft stieg ihm in die Nase, und er atmete ihn genußvoll ein. In seiner Kindheit in Brooklyn waren seine
Mutter und er immer mit dem Bus zum Baden an den Rockaway
Beach gefahren. Vor dreißig Jahren hatte er das Haus in Belle
Harbour gekauft, damit Marie und die Kinder dort den Sommer
verbringen konnten. Nach seiner Verurteilung war sie dann ganz
hinausgezogen.
    Siebzehn Jahre. Am letzten Freitag waren sie vorbei gewesen.
Der erste tiefe Atemzug, den er außerhalb der Gefängnismauern
tat, löste Wellen von Schmerzen in seiner Brust aus. »Meiden
Sie die Kälte!« hatten die Ärzte ihm eingeschärft.
    Marie hatte ein großes Essen vorbereitet und ein Schild
»Willkommen zu Hause, Nicky« aufgehängt. Er war so erschöpft gewesen, daß er mitten während des Essens zu Bett gehen mußte. Die Kinder hatten angerufen, Nick junior und Tessa.
»Wir lieben dich, Papa!« hatten sie ihm gesagt.
    Er hatte nicht gewollt, daß sie ihn im Gefängnis besuchten.
Tessa kam gerade aufs College, als er seine Strafe antrat. Jetzt
war sie fünfunddreißig, hatte zwei Kinder und lebte in Arizona.
Ihr Mann nannte sie Theresa. Nick junior hatte seinen Nachnamen in Damiano geändert. Das war Maries Mädchenname. Nicholas Damiano, staatlich vereidigter Buchprüfer, lebte in Connecticut.
»Kommt jetzt noch nicht her«, riet Nicky ihnen. »Wartet, bis
die Journalisten nicht mehr herumwimmeln.«
    Das ganze Wochenende waren er und Marie im Haus geblieben, zwei schweigende Fremde, während draußen die Kameras
darauf warteten, daß er herauskam.
    Aber an diesem Morgen waren sie abgezogen. Schnee von gestern, das war er nur noch für sie. Ein kranker Strafentlassener.
Nicky atmete tief durch und spürte, wie die salzige Luft seine
Lungen füllte.
    Ein kahlköpfiger Jogger in einem dieser verrückten Trainingsanzüge kam ihm entgegen und blieb stehen. »Schön, daß
Sie wieder da sind, Mr. Sepetti. Sie sehen großartig aus!«
    Nicky runzelte die Stirn. Er hatte keine Lust, sich diesen Unsinn anzuhören. Er wußte ganz genau, wie er aussah. Erst vor
einer halben Stunde hatte er sich nach dem Duschen von oben
bis unten eingehend im Spiegel an der Badezimmertür betrachtet. Oben auf dem Kopf waren ihm die Haare völlig ausgegangen, aber weiter unten wuchsen sie noch in einem dichten
Kranz. Vor seinem Strafantritt war das Haar schwarz und silbern
meliert gewesen; Pfeffer und Salz pflegte sein Friseur es zu
nennen. Jetzt war das, was noch vorhanden war, fahlgrau oder,
wenn man so wollte, schmutzigweiß. Auch der Rest der Selbstprüfung hatte ihn nicht gerade aufgeheitert. Vorstehende Augen,
die ihn schon immer gestört hatten, auch als er noch ein recht
gutaussehender jüngerer Mann war. Jetzt wölbten sie sich wie
Murmeln. Eine schwache Narbe auf der Wange, die aus der
Blässe hervorstach. Der Gewichtsverlust hatte sein Aussehen
nicht verbessert; er wirkte schlaff wie ein Kissen, das die Hälfte
der Federn verloren hat. Ein Mann, der auf die sechzig zuging.
Zweiundvierzig war er gewesen, als er ins Gefängnis kam.
    »Ja, großartig«, antwortete er. »Vielen Dank.« Er wußte, daß
der Mann, der den Gehsteig blockierte und mit nervösem Lächeln sein ganzes Gebiß entblößte,

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