Claudius Bombarnac
die vier Mongolen, ihre Helfershelfer, denunciren. Ich kann ja aussagen, daß ich sie habe durch den Packwagen schleichen sehen, daß ich ihnen gefolgt bin, daß ich Alles verstanden, was sie auf der Plattform miteinander sprachen, daß ich den Schmerzensschrei der Unglücklichen vernommen habe, die in ihrem schweren Dienste ermordet wurden, und daß ich dann mit dem Rufe: »Nach rückwärts! … Alle nach dem Ende des Zuges!« in die Waggons zurückgestürzt bin.
Wie sich bald zeigen wird, wartet sicherlich noch ein Andrer, dessen gerechter Verdacht sich nun in Gewißheit verwandelt hat, nur auf die Gelegenheit, den angeblichen Seigneur Farusklar anzuklagen!
Augenblicklich stehen wir, der Major Noltitz, der deutsche Baron, Herr Caterna, Fulk Ephrjuell, Pan-Popof und Andre, zusammen etwa zwanzig Reisegenossen, an der Spitze des verunglückten Zuges. Selbstverständlich sind die chinesischen Gendarmen, getreu ihrem Befehle, in der Nähe des Schatzes geblieben, den keiner von ihnen zu verlassen gewagt hatte. Der Schaffner aus dem letzten Waggon bringt die Endlaterne mit und ihr heller Schein gestattet uns, den Zustand der Locomotive zu erkennen.
Wenn der Zug, der ja mit außergewöhnlicher Schnelligkeit dahinraste, nicht plötzlich festgehalten worden war – was seine gänzliche Zerstörung herbeigeführt hätte – so lag das daran, daß bei der Explosion der Kessel nach oben und nach seitwärts geborsten war. Da die Schienen somit unversehrt blieben, konnte die Locomotive auf dem Geleise noch so lange fortrollen, bis ihre Schnelligkeit von selbst erstarb. Der Zug hat also schließlich allein Halt gemacht und deshalb blieben die Reisenden von einem gefährlichen Stoße verschont.
Vom Kessel und seinen Nebentheilen sind nur noch formlose Trümmer übrig. Kein Schornstein, kein Dampfdom oder Rauchkammer, nichts als verbogne Eisenbleche, zerrissne und verdrehte Feuerrohre, abgequetschte Cylinder, ausgerenkte Treibstangen – gähnende Wunden an einer stählernen Leiche.
Und nicht die Locomotive allein ist zerstört, sondern auch der Tender ist ganz dienstunfähig. Seine Wasserkästen sind eingedrückt und der Kohlenvorrath liegt auf und neben der Bahnstrecke verstreut, der Packwagen ist wie durch ein Wunder mit ganz leichter Beschädigung weggekommen.
Angesichts dieser schrecklichen Wirkungen der Explosion leuchtet mir ein, daß für den jungen Rumänen keine Rettung möglich gewesen ist, daß er todt, zerrissen, in Stücke zersetzt sein muß! … Obwohl ich die Strecke so etwa hundert Meter weit absuche, find’ ich von ihm natürlich kein Ueberbleibsel! …
Schweigend starren wir anfangs auf diese Verwüstung; dann hört man von der und jener Seite einzelne Aeußerungen fallen.
»Unser Heizer und unser Maschinenführer, sagt einer der Reisenden, sind bei der Explosion unzweifelhaft umgekommen.
– Die armen Leute! klagt Popos. Ich frage mich nur, wie der Zug hat auf die Seitenlinie nach Nanking kommen können, ohne daß sie es bemerkt hätten!
– Die Nacht ist sehr finster, meint Fulk Ephrjuell, und der Führer wird nicht haben sehen können, wie die Weiche stand.
– Das ist die einzig mögliche Erklärung, bestätigt Popof, denn sonst hätte er den Zug ganz gewiß angehalten, während wir gerade mit außerordentlicher Schnelligkeit dahingefahren sind ….
– Doch wie kam es, wirst Pan-Chao ein, daß die Seitenlinie nach Nanking überhaupt offen stand, da der Viaduct von Tju doch noch unvollendet ist? … Es muß doch Jemand die Weiche verstellt haben! …
– Ganz unzweifelhaft, stimmt ihm Popof zu; hier liegt gewiß eine grobe Nachlässigkeit vor …
– Nein … da ist böser Wille im Spiel, behauptet Fulk Ephrjuell. Hier liegt ein Verbrechen, ein vorbedachtes Verbrechen vor mit der Absicht, den Zug zu zerstören und die Reisenden umzubringen ….
– Zu welchem Zwecke aber? fragt Popos.
– Nun, den kaiserlichen Schatz zu rauben, erklärt Fulk Ephrjuell. Vergessen Sie denn ganz, daß diese Millionen Uebelthäter geradezu anlocken mußten? Erfolgte der Ueberfall zwischen Tcherichen und Tcharkalyk nicht auch in der Absicht, den Zug zu berauben? …«
Der Amerikaner wußte gar nicht, wie richtig seine Annahme war.
»Nach dem Angriffe durch Ki-Tsang also, nahm Popof wieder das Wort, glauben Sie, daß noch andre Raubgesellen …?«
Bisher hatte sich der Major Noltitz noch nicht in das Gespräch gemischt. Jetzt fällt er Popof ins Wort und sagt mit so lauter Stimme, daß ihn Alle hören und
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