Claudius Bombarnac
verstehen müssen:
»Wo ist denn der Seigneur Farnsklar?«
Ein Jeder dreht sich um und sucht zu entdecken, was aus dem Verwaltungsrathe der Gesellschaft geworden ist.
»Wo ist sein Begleiter Ghangir?« fährt der Major fort.
Keine Antwort.
»Wo sind denn die vier Mongolen die im letzten Waggon saßen?« fragt der Major Noltitz.
Keiner derselben meldet sich.
Man ruft ein zweitesmal nach dem Seigneur Farusklar.
Der Seigneur Farusklar folgt dem Rufe nicht.
Popof begiebt sich nach dem Waggon, in dem sich jener gewöhnlich aufhielt …
Der Waggon ist leer.
Leer? … Nein. Sir Francis Trevellyan sitzt seelenruhig auf seinem Platze und bekümmert sich nicht im geringsten um das, was sonst vorgeht. Geht das denn diesen Gentleman weiter etwas an, als daß er sich sagen wird, daß auf den russisch-chinesischen Eisenbahnen eine Sorglosigkeit und Unordnung ohnegleichen herrscht? … Eine Weiche geöffnet, und kein Mensch weiß, durch wen! … Ein Zug, der sich auf eine falsche Strecke verirrt! … Welch’ ebenso lächerliche als echt moskowitische Verwaltung!
»Da sehen Sie! ruft jetzt der Major Noltitz, der Uebelthäter, der den Zug in die Seitenlinie nach Nanking übergeleitet, der, der ihn in das tiefe Thal von Tju stürzen lassen wollte, um sich dann des kaiserlichen Schatzes zu bemächtigen, war kein Andrer als Farusklar!
– Farusklar!« stießen die Reisenden wie aus einem Munde hervor.
Die meisten wollen der von Major Noltitz ausgesprochnen Beschuldigung keinen Glauben beimessen.
»Wie, ruft Popof, es wäre dieser Verwaltungsrath der Gesellschaft gewesen, der sich bei dem Räuberüberfalle so heldenhaft benommen, der den Anführer Ki-Tsang mit eigner Hand getödtet hat er sollte …?«
Jetzt trete auch ich in der Sache auf.
»Der Major täuscht sich nicht, erkläre ich. Jener Farusklar ist es, der diesen Schurkenstreich ausgeführt hat!«
Inmitten der allgemeinen Bestürzung erzähl’ ich nun, was ich weiß und was ich durch Zufall erfahren habe. Ich schildere, wie mir der Plan Farusklar’s und der Mongolen bekannt geworden ist, freilich als es schon zu spät war, dessen Ausführung zu vereiteln, und ich verschweige auch nicht, was das Eingreifen Kinko’s betrifft. Zur passenden Zeit werd ich schon für den wackern Burschen an rechter Stelle eintreten.
Meinen Worten folgt ein wahres Gewitter von Flüchen und Drohungen. Wie! Jener Seigneur Farnsklar … der stolze Mongole … der Beamte, den wir selbst in Thätigkeit gesehen hatten! … Nein … das schien unmöglich!
Und doch muß man sich wohl oder übel den Thatsachen fügen. Ich habe mit eignen Augen gesehen … mit eignen Ohren gehört … ich versichere, daß Farusklar der Urheber der Katastrophe ist, die unsern Zug vernichten sollte, daß er der abscheulichste Bandit ist, der je in Centralasien sein Unwesen getrieben hat.
»Sie erkennen nun, Herr Bombarnae, flüstert der Major Noltitz mir zu, daß mein anfänglicher Verdacht völlig begründet war.
– Leider gar zu begründet, hab’ ich geantwortet, und ich gestehe – ohne falsche Scham – daß ich mich von dem großartigen Auftreten jenes abscheulichen Schuftes habe bethören lassen.
– Herr Claudius, läßt sich da Herr Caterna vernehmen, der zu uns herangetreten ist, bringen Sie das in einen Roman, und Sie werden sehen, daß alle Welt über Unwahrscheinlichkeit schreit!«
Herr Caterna hat Recht – so unwahrscheinlich das alles sein mag, es ist doch thatsächlich so! Uebrigens muß es Allen, mich, der ich das Geheimniß Kinko’s kenne, ausgenommen, als ein wahres Wunder erscheinen, daß die Locomotive wie durch eine von der Vorsehung bestimmte Explosion so kurz vor dem Abgrund stehen geblieben ist.
Jetzt, wo jede Gefahr vorüber, gilt es zuvörderst Maßnahmen zu ergreifen, um die Wagen des Zuges nach der Pekinger Linie zurückzuschaffen.
»Das einfachste wird es sein, sagt Popof, wenn einige von uns bereit wären …
– Da bin ich dabei! meldete sich schon Herr Caterna.
– Um was handelt es sich? setze ich hinzu.
– Es gilt, sich zu Fuß zur nächsten Station, nach Fuen-Choo, zu begeben und von da aus nach dem Bahnhofe von Tat-Yuan zu telegraphiren, um eine Hilfslocomotive zu erbitten.
– Wie weit ist es bis zur Station Fuen-Choo? fragt Fulk Ephrjuell.
– Von hier sind gegen sechs Kilometer bis zur Theilung der Bahnlinie und von da aus liegt der Bahnhof von Fuen-Choo noch fünf Kilometer entfernt
– Also elf Kilometer zusammen, läßt der Major sich vernehmen, das
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