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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auch mit hinabgestürzt … sie gingen mit uns zu Grunde!
    In diesem Augenblick gellen vorn vom Zuge laute Schreie her – Geschrei von Leuten, die ermordet werden …. Kein Zweifel! … Der Heizer und der Maschinenführer werden erdrosselt, und ich bemerke, daß die Schnelligkeit des Zuges wesentlich nachläßt.
    Ah, ich begreife! Einer der Schandbuben versteht mit der Locomotive umzugehen, und diese Verlangsamung gestattet den Burschen abzuspringen und vor Eintritt der Katastrophe ein Stück zu entfliehen.
    Endlich gelingt es mir, meinen Starrkrampf zu überwinden. Strauchelnd wie ein Betrunkner hab’ ich kaum die Kraft, mich bis zum Kasten Kinko’s zu schleppen. Dort unterricht’ ich ihn mit kurzen Worten über das Vorgefallene und rufe laut:
    »Wir sind verloren!
    – Nein … vielleicht …«, antwortet er.
    Eh’ ich noch eine Bewegung zu machen im Stande bin, ist Kinko aus seinem Kasten gesprungen, nach der Thür des Packwagens gestürzt und erklettert schon den Tender, indem er mir zuruft:
    »Kommen Sie … kommen Sie!«
    Wie es zugegangen ist, weiß ich nicht, doch in einem Augenblicke befinde ich mich neben ihm auf der Plattform der Locomotive … die Füße im Blute – im Blute des Heizers und des Führers, die auf die Bahn hinausgestürzt worden sind …
    Von Farusklar und seinen Spießgesellen ist nichts zu sehen.
    Vor der Flucht von hier hat Einer die Bremsen völlig aufgedreht, die Dampfeinströmungsventile weit geöffnet, den Rost übermäßig mit frischem Brennmaterial beschickt, und jetzt schießt der Zug mit entsetzlicher Schnelligkeit dahin …
    Noch wenige Minuten, und er muß den Viaduct von Tju erreicht haben …
    Thatkräftig und entschlossen hat Kinko seine Kaltblütigkeit bewahrt. Vergeblich aber sacht er den Hebel zu bewegen, den Cylindern Gegendampf zu geben und durch Anziehung der Bremsen die Zuggeschwindigkeit zu hemmen … er weiß nicht recht, wie diese Hebel und Kurbeln wirken.
    »Wir müssen sofort Popof holen! … ruf’ ich voller Schrecken.
    – Und was würde dieser dann noch thun können? … Nein, es giebt nur ein einziges Mittel ….
    – Welches … welches?
    – Das Feuer noch mehr zu schüren, antwortet Kinko mit ruhiger Stimme, die Sicherheitsventile zu belasten und die Locomotive zerspringen zu lassen.«
    Ist das wirklich das einzige, dieses von der Verzweiflung eingegebene Mittel, den Zug zum Stehen zu bringen, ehe er den Viaduct erreicht? …
    Kinko schaufelt wie ein Irrsinniger Steinkohlen auf den Rost der Feuerbüchse. Es entsteht ein furchtbarer Zug, der ganze Massen von Luft durch die Feuerung preßt, der Druck steigt, der Dampf zischt pfeifend aus den Sicherheitsventilen, im Kessel brodelt es, die Maschine seufzt unter der Wucht des hochgespannten Dampfes …. Die Geschwindigkeit nimmt zu und übersteigt jetzt wohl hundert Kilometer in der Stunde ….
    »Fort von hier, ruft mir Kinko zu, Alle sollen sich nach den letzten Waggons flüchten ….
    – Und Sie, Kinko? …
    – Fort, schnell fort, sag’ ich!«
    Ich sehe noch, wie er mit beiden Händen nach den Sicherheitsventilen greift und sich mit dem ganzen Körpergewicht an deren Hebelarme hängt.
    »So eilen Sie doch fortzukommen!« ruft er mir noch zu.
    Ich überklettere den Tender, stürme durch den Packwagen und wecke Popof, indem ich mit voller Kraft der Lungen ausrufe:
    »Nach rückwärts! … Alle nach dem Ende des Zuges!«
    Einige, urplötzlich aus dem Schlafe auffahrende Reisende beeilen sich, die ersten Waggons zu verlassen ….
    Plötzlich ein Krachen, eine furchtbare Explosion, der ein sehr heftiger Stoß nachfolgt. Der Zug scheint sich erst ein wenig nach rückwärts zu bewegen, rollt aber, eine Folge der vorher erlangten Schnelligkeit, noch einen halben Kilometer weiter dahin ….
    Endlich steht er still ….
    Popof, der Major, Herr Caterna und die meisten Fahrgäste springen sofort auf die Strecke hinunter.
    Inmitten der Finsterniß gewahrt man doch einen Wirrwarr von Gerüsten, Balken und Streben oben auf den Holzpfeilern, die den Viaduct von Tju zu tragen bestimmt sind.
    Noch zweihundert Schritte weiter, und der Zug der Groß-Transasiatischen Bahn wäre in den Abgrund gestürzt.
Fünfundzwanzigstes Capitel.
    Und ich Thor, der ich nach Stoff für meine Berichte suchte, der die Langeweile einer eintönigen Philisterfahrt von sechstausend Kilometern so sehr fürchtete, eine Fahrt, bei der ich keine Eindrücke erhielt, keine Aufregung empfand, die da werth gewesen wäre, durch Druckerschwärze

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