Claudius Bombarnac
Centralasiens höchlichst zu ergötzen. Niemals hat diese aus der Mode gekommene Melodie, die der pneumatische Apparat so ausdrucksvoll wiedergiebt, ihren Ohren geschmeichelt!
Frau Caterna erscheint nicht weniger aufgeputzt als er. (S. 196.)
Schließlich nimmt ja in dieser Welt Alles ein Ende – auch das Andante aus Norma, und der Reverend Nathaniel Morse beginnt seinen Trauungsspeech, den er bei ähnlicher Gelegenheit schon vielemal hergesagt hat: »Die beiden Seelen, die mit einander verschmelzen … das Fleisch des Fleisches … gehet hin und mehret Euch …«
Meines Erachtens nach, hätte er einfach wie ein richtiger Notar näselnden Tones sagen sollen:
»Vor uns, dem Notar-Priester, ist ein Schriftstück vollzogen worden bezüglich der zu errichtenden Firma Ephrinell-Bluett & Co ….«
Mein Gedanke bleibt unvollendet. Von der Locomotive her dringt ein lautes Geschrei bis zu uns. Die plötzlich angezogenen Bremsen knirschen an den Rädern. Einige Stöße, dann fährt der Zug langsamer; endlich hält ein noch stärkerer Stoß den Zug inmitten einer Sandwolke an.
Welcher Riß in der Trauungsfeierlichkeit, und wie schnell »haben wir unseren Draht auf der Erde hingeführt«, um ein bei den Telegraphisten beliebtes Wort zu gebrauchen.
Alles im Dining-car, Menschen und Möbelstücke, die Zukünftigen und die Zeugen werden durcheinander geworfen. Niemand vermag sich aufrecht zu erhalten, es ist ein unbeschreiblicher Wirrwar, gemischt mit schrecklichem Geschrei und manchem Schmerzensrufe …. Doch, ich beeile mich, darauf hinzuweisen, daß ein ernsteres Unglück nicht vorgekommen sein kann, denn wir wurden ja nicht augenblicklich aufgehalten.
»Schnell aus dem Zuge!« ruft mir der Major zu.
Zwanzigstes Capitel.
Binnen einer Minute sind alle Reisenden, mehr oder weniger verletzt und kaum ihrer Sinne mächtig, auf die Gleise hinuntergesprungen. Jetzt ertönen Fragen und Klagen in wenigstens vier Zungen unter der allgemeinsten Bestürzung.
Der Seigneur Farnsklar, Ghangir und die vier Mongolen sind als die ersten aus dem Zuge hinaus. Alle haben sich auf der Bahnstrecke aufgestellt und den Kandjiar mit der einen, den Revolver mit der andern Hand gepackt.
Richtig, auf die Länge von hundert Metern sind die Schienen ausgehoben und die Maschine ist, nachdem sie erst über die Schwellen gepoltert, vor einer Sandaufhäufung stehen geblieben.
»Ah! Die Eisenbahn ist noch gar nicht fertig … und mir hat man ein Billet von Tiflis bis Peking verkauft? … Und ich, ich habe diese Transasiatische Bahn benützt, um bei meiner Reise um die Erde neun Tage zu ersparen?«
An diesen in deutscher Sprache gegen Popof geäußerten Worten erkenne ich die wüthende Stimme des Barons. Diesmal hätte er seine Vorwürfe freilich bei andern als bei den Ingenieuren der Bahn anbringen sollen.
Wir fragen Popof, während der Major den Seigneur Farusklar und die Mongolen unausgesetzt im Auge behält.
»Der Baron ist im Irrthum, erklärt uns Popos. Die Strecke ist vollständig fertig, und wenn hier hundert Meter Schienen fehlen, so sind sie in verbrecherischer Absicht aufgerissen worden ….
– Um den Zug zum Stehen zu bringen … rufe ich.
– Und um den Schatz zu rauben, den er nach Peking befördert! … setzt Herr Caterna hinzu.
– Ob das wohl Ki-Tsang nebst seiner Bande ist, mit dem wir’s zu thun haben?« rufe ich laut.
Ki-Tsang! … Dieser Name verbreitet sich jetzt unter den Reisenden und setzt Alle gewaltig in Schrecken.
Da raunt mir der Major zu:
»Warum denn Ki-Tsang … vergessen Sie den Seigneur Farusklar?
– Er? … Ein Verwalter der Transasiatischen Linie ….
– Sapperment, wenn’s wahr ist, daß die Gesellschaft einige frühere Räuberführer in ihren Verwaltungsrath aufgenommen hat, um den Verkehr besser zu sichern ….
– Daran glaub’ ich nimmermehr, Major!
– Nach Belieben, Herr Bombarnae Sicherlich wußte aber dieser Seigneur Farnsklar, daß der angebliche Leichenwagen so und so viele Millionen enthält ….
– Ich bitte Sie, Major, jetzt ist doch keine Zeit zum Scherzen! …
– Nein, jetzt ist es Zeit, sich zu vertheidigen, und daran wollen wir’s nicht fehlen lassen.«
Der chinesische Officier hat seine Leute rings um den Wagen mit dem Schatze aufgestellt Es sind ihrer zwanzig, und wir andern Reisenden, die Frauen nicht gerechnet, zählen auch noch zwanzig Mann. Popof vertheilt Waffen, die für den Fall eines Angriffs stets mitgeführt werden. Der Major Noltitz, Herr Caterna,
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