Claudius Bombarnac
ist. Fulk Ephrjuell dürfte wohl die letzte Hand an seine Cravatte legen und seine Ringe, Berloques und andre Gegenstände tragbaren Schmuckes in Ordnung bringen. Ich bin nicht unruhig, ich weiß ja, daß wir mit dem Glockenschlage neun die Beiden werden erscheinen sehen.
Nur Eines bedaure ich lebhaft, daß nämlich der Seigneur Farnsklar und Ghangir viel zu beschäftigt sind, um an den Freuden dieses Ereignisses theilzunehmen, denn unausgesetzt durchforschen ihre Blicke die endlose Wüste. Vor ihren Augen entrollt sich ja keine angebaute Steppe wie in der Nachbarschaft des Lob-Nor, sondern die Gobi-Wüste in ihrer ganzen Dürre, Trostlosigkeit und Traurigkeit, wie man das aus den verläßlichen Berichten von Gajimallo, Blanc und Martin schon längst weiß. Man möchte sich wirklich fragen, warum die beiden Männer mit so eigenthümlicher Zähigkeit immer und immer da hinausstarren.
»Trügen mich meine Ahnungen nicht, sagt der Major Noltitz zu mir, so müssen sie hier etwas auf dem Korn haben!«
Was bedeuten diese Worte? … Doch … eben läßt die Tenderglocke ihre freudigen Töne erschallen. Neun Uhr; es ist nun Zeit sich nach dem Dining-car zu begeben.
Herr Caterna hat neben mir Platz gesucht und ich höre, wie er vor sich hinträllert:
»Das ist des Kirchleins Glocke,
Die jetzt so schön ertönt …«
Während Frau Caterna auf das Trio in der »weißen Dame« mit dem Refrain aus dem »Dragoman von Villars« antwortet:
»Sie tönen, tönen, tönen …
Und läuten den Festtag ein …«
wobei sie, wie auf der Bühne, Bewegungen macht, als ziehe sie am Glockenstrange.
Zum Festzuge geordnet brechen die Reisenden auf, zuerst die vier Zeugen, dann die Gäste von beiden Enden des Dorfes – des Zuges, wollt’ ich sagen – Chinesen, Turkmenen, eine Anzahl von Tataren, Männer und Frauen, alle begierig, der Ceremonie beizuwohnen. Die vier Mongolen allein sind auf der letzten Plattform vor dem Wagen mit dem Schatze geblieben, den auch die chinesischen Soldaten keinen Augenblick außer Acht lassen dürfen.
Wir kommen nach dem Dining-car.
Der Geistliche sitzt vor dem kleinen Tische, auf dem der Ehecontract liegt, den er nach Verabredung aufgesetzt hat. Der gute Mann ist an solche ebenso geschäftliche wie eheliche Operationen entschieden schon gewöhnt.
Das Paar Ephrjuell-Bluett ist noch nicht erschienen.
»Was der Teufel, raune ich dem Komiker zu, sollten sie es sich anders überlegt haben?
– Na, wenn sie zurückgetreten wären, antwortet Herr Caterna lachend, dann kann der Reverend mich und meine Frau noch einmal trauen …. Wir sind nämlich im Hochzeitsstaat und man wühlt doch seine Sachen nicht für nichts und wieder nichts durch. Nicht wahr, Caroline?
– Gewiß. Adolph!« erwidert die zierliche Soubrette.
Diese lustige zweite Auflage der Eheschließung des Herrn und Frau Caterna sollte jedoch nicht zu Stande kommen. Da tritt schon Herr Fulk Ephrjuell ein, diesen Morgen ganz in derselben kühlen Haltung wie gestern und – wohl zu bemerken – auch noch mit dem Bleistift hinter den langen Ohren, denn der ehrbare Handelsreisende hat eben noch eine Rechnung für sein Haus in New-York fertig gestellt.
Da erscheint auch Miß Horatia Bluett, so mager, so trocken, so ruhig wie es eine britische Händlerin nur sein kann; sie trägt noch den Reisestaubmantel und an Stelle kostbaren Schmucks einen Schatz von rasselnden Schlüsseln, die an ihrem Gürtel hängen.
Die Anwesenden haben sich beim Eintritt der Hauptpersonen des Schauspiels ehrfurchtsvoll erhoben. Nachdem Beide nach rechts und nach links hin gegrüßt, nehmen sie einen »Anlauf«, wie Herr Caterna sagen würde, damit begeben sie sich zu dem Geistlichen, der stehend die Hände auf die aufgeschlagene Seite einer Bibel gelegt hat, gewiß auf die Seite, wo Isaak, der Sohn des Abraham und der Sarah, Rebekka, die Tochter Bethuel’s, heiratet.
Ließe jetzt ein Harmonium seine angepaßten Klänge erschallen, so würde man sich in eine Kapelle versetzt glauben ….
Richtig, da geht die Musik los! Aas einem Harmonium ertönte sie freilich nicht, dagegen aus einer etwas kurzathmigen Ziehharmonika in den Händen Caterna’s. Von seiner Seemannszeit her versteht er den Marterkasten zu handhaben, und jetzt trägt er das geschmacklose Andante aus Norma mit den bei der Harmonika unvermeidlichen kleinen Abänderungen vor.
Da steht ja Ghangir auf der vordern Plattform unsers Wagens. (S. 195.)
Das scheint die Eingebornen
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