Claw Trilogy 01 - Fenrir
Chakhlyks Angriff hatten sie wie eine Heimsuchung aus einer Sage empfunden, sie waren vor ihm weggelaufen wie die Christen, die den Wolfsmann mit dem Leibhaftigen verwechselt hatten.
Jetzt war kein Chakhlyk mehr da, und in den vielen dunklen Winkeln zwischen den Bäumen im Wald, in dem gesprenkelten, unsteten Licht, das die Furcht vor eingebildeten Angreifern heraufbeschwor, lauerte eine Angst, die fast noch schlimmer war als die Schrecken der Nacht und die Furcht vor unsichtbaren Gegnern. Es war Frühling, und der Wald blühte, doch Leshii konnte die schöne Umgebung nicht genießen.
Wenigstens fraß das Maultier gut.
Im Kloster hatte Leshii einen Wasserschlauch gefunden, den er in den Bächen auffüllen konnte, doch als der Regen den Wald in ein schlüpfriges grünes Durcheinander verwandelte, fühlte er sich elend, alt und ungeschützt. Er konnte kein Feuer machen, also ritt er einfach weiter bis in den Abend und suchte sich einen Unterschlupf, so unzureichend dieser auch sein mochte. Er konnte nur hoffen, die Erschöpfung werde ihn nicht übermannen, denn wenn er die Kälte nicht mehr spürte, würde er einfach erfrieren. In den meisten Nächten siegte die Kälte. Er halluzinierte vor Fieber und Müdigkeit und war kaum mehr als eine willenlose Fracht auf dem Maultier. Meist überließ er es dem Tier, sich den Weg zu suchen. Es schien zu wissen, wohin die Reise ging, und lief unbeirrt geradeaus, wenn ein Weg abzweigte. So kamen sie in dem feuchten Wald recht schnell voran. Das Tier war glücklich. Die Blätter und Knospen waren frisch, niemand trieb es an, und außer dem alten Mann hatte es nicht viel zu tragen.
Nach einer Woche im Wald war es Leshii beinahe egal, ob er lebte oder nicht. Als er endlich dem Tod begegnete, begrüßte er ihn freundlich. Der Tod ritt auf einem Schimmel und hatte sich in einen schwarzen Mantel gehüllt. Leshii sah ihn aus der Ferne, am Ende der langen Gasse zwischen den Bäumen. Er war zu müde, um vor dem Tod wegzulaufen.
Der Tod rief: »Ich habe dich mit ihm verwechselt.« Er sprach das Romanische unbeholfen und stieß die Worte hervor wie Dolchstiche.
Leshii konnte nicht antworten. Er starrte nur die Gestalt an, die ihm den Weg versperrte, und nickte. Warum er nickte, wusste er nicht einmal selbst.
Der Mantel war seltsam. In ihm steckten Dinge, die schräg hervorstanden. Was ist das? Federn, erkannte der Händler. Hrafn! Vielleicht verhielt sich das Wesen wie ein normaler Mann, wenn er es wie einen normalen Mann behandelte.
Endlich fand der Händler seine Stimme wieder. »Ich habe ein schönes Maultier, das ich verkaufen kann, Bruder, ein prachtvolles fränkisches Tier. Ich muss es verkaufen, aber meine Gefährten wollen es nicht für weniger als hundert Denier hergeben. Aber meinetwegen soll es der richtige Mann auch für achtzig bekommen. Du musst dich aber beeilen, weil sie bald in großer Zahl kommen. Wenn du es jetzt schnell kaufst, werden jedoch nicht einmal die mächtigsten ihrer Krieger gegen den abgeschlossenen Handel Einwände erheben.«
Der Tod antwortete ihm: »Ich habe in meinen Träumen die Witterung des Wolfsmanns aufgenommen und bin hergekommen, um ihn zu finden. Wo er ist, da ist die Edelfrau nicht weit. Das Fell, das du da trägst, hast du ihm abgenommen. Lebt er noch? Ist die Edelfrau bei ihm?«
»Er ist tot, aber nicht durch meine Hand gestorben.«
Der Rabe nickte.
»Ist er gestorben, während er sie beschützt hat?«
»Spielt es eine Rolle, wie er umgekommen ist?«
»Wie ist er gestorben?« Die Stimme des Reiters verriet kein Gefühl, doch Leshii wusste, dass er darauf brannte, die Antwort zu hören.
»Er wurde verhext und kam, um sie zu töten. Er konnte den Zauberbann jedoch brechen und versuchte, sie den Warägern wegzunehmen. Sie haben ihn umgebracht, nachdem er viele von ihnen niedergestreckt hatte.«
Diese Neuigkeit machte den Reiter offenbar sehr betroffen. »Der Zauberbann kam aus der Rune, die in meiner Schwester lebt. Die Magie eines Mannes kann ihn nicht brechen. Nur eine Frau könnte das tun, und zwar eine Frau, die eine Rune in sich trägt.«
»Er starb, während er sie verteidigt hat.«
»Er war nicht der, für den er sich gehalten hat. Wir haben nicht viel von ihm gesehen, aber so viel haben wir verstanden.«
»Für wen hielt er sich?«
»Für das Opfer des Wolfs.«
Leshii zuckte mit den Achseln. »Er war auf jeden Fall jemandes Opfer. Wirst du mich jetzt töten? Du bist ein Diener des Todes, ich kenne dich unter dem Namen
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