Claw Trilogy 01 - Fenrir
was ich will.«
»Ein Opfer?«
»Kein Opfer. Diese Männer sind dir egal.«
»Zu dritt können wir das Boot nicht segeln.«
»Dann ist es ein Opfer.«
»Soll ich sie töten?«
»Ja.«
»Und was bekomme ich als Gegenleistung, Gott?«
»Du siehst deine Edelfrau.«
»Werde ich sie retten?«
»Die Zukunft ist eine belebte Stadt. Zahllos ihre Wege.«
»Ich werde sterben.«
»Einen schrecklichen, qualvollen Tod.«
»Werde ich sie retten?«
Der Gott beugte sich vor und flüsterte es Hugin ins Ohr: »Ich habe dir genug gezeigt. Was wirst du nun für mich tun?«
Der Rabe erwachte. Es war eine bedeckte, fast lichtlose Nacht, doch dank seiner scharfen Augen erkannte er in der Dunkelheit einige Gestalten. Das reichte ihm aus. Gleich hinter ihm zeichnete sich gegen das schwache Licht des Himmels ein Mann am Steuerruder ab. Er harrte dort eher aus Gewohnheit denn aus irgendeinem nachvollziehbaren Grund aus. Hugin nahm an, der Himmel habe sich rasch zugezogen, und das Langschiff habe keine Zeit mehr gehabt, das Ufer zu erreichen, bevor es stockfinster geworden war. In einer solchen Situation war es besser, still zu sitzen und mit den Göttern zu feilschen, statt aufs Geratewohl das Ufer anzusteuern.
Hugin rührte sich nicht, sondern sprach halblaut seinen Zauberspruch.
»Ich bin ein Rabe,
Ein Fetzen im Wind.
Ich bin ein Rabe,
Das hungrige Maul des Todes.
Ich bin ein Rabe,
Die heisere Stimme der Nacht.«
Immer wieder sagte er den Spruch auf und suchte den Zugang zu jenem Teil seiner Seele, der sich im Tunnel im Berg geöffnet hatte, zu jenem Teil, den er dank Ritual und Leiden gewonnen hatte. Sein Messer steckte im Dollbord des Schiffs. Er zog es aus dem Holz, und dann war er nur noch ein Schatten zwischen anderen Schatten, ein dunkler Schemen mit einer Klinge.
Der Rudergänger bekam einen Stich unter den Brustkorb, aufwärts in Richtung Herz geführt. Er starb, ehe er auch nur einen Schrei ausstoßen konnte. Hugin ließ ihn auf das Deck sinken. Die nächsten Männer starben ebenso rasch und lautlos, als er ihnen im Dunkeln die Kehlen durchschnitt. Fünf erledigte er auf diese Weise, dann schlich er weiter zum Mast. Dort roch er das Maultier und konnte den Umriss des Tiers gerade eben ausmachen. Hugin streckte die Hand aus, spürte einen Kopf mit einem Turban und kroch mit dem Messer weiter. Nein, der Gott will die Mörder, aber nicht den da und auch nicht den dicken Wikinger. Hugin schlich um den Händler herum und berührte einen dicken Bauch.
»Was ist los?«, murmelte Ofaeti.
Hugin durfte keine Zeit verlieren. Er sprang durch die Dunkelheit, schwang das Messer und tötete einen nach dem anderen.
»He!«
»Ich habe eine Schnittwunde!«
»Eine Trollhexe!«
»Jemand hat mich gestochen, gestochen!«
»Aaah!«
»Bleibt ruhig«, ließ sich Ofaeti vernehmen.
Doch die Männer griffen nach den Waffen und hackten im Dunkeln los, voller Angst und ohne etwas zu sehen.
Hugin duckte sich auf das Deck, als Axt und Schwert trafen, als Arme zuschlugen und die Panik um sich griff.
»Ich kann nichts sehen, ich kann nichts sehen!«
»Dann hör auf zu kämpfen!«
»Ist das dein Werk, Horda-Mann?«
Es platschte laut. Jemand war über Bord gegangen. Dann ertönten weitere Schreie, und wieder war zu hören, wie Äxte, Schwerter und Speere ihre Ziele trafen.
Eine Weile war es still. Schließlich tauchten hinter dem Horizont die ersten Vorboten der Dämmerung auf. Hugin saß im Bug, das Krummschwert hatte er wieder an sich genommen. Blank und glänzend fing es das Licht des neuen Tages ein. Außer ihm lebten nur noch fünf Männer auf dem Langschiff.
»Du!«, sagte ein Sklaventreiber.
Der Händler lag hinten im Boot und hatte die Hände schützend auf den Kopf gelegt, Ofaeti stand in seiner Nähe am Ruder und war bereit, mit erhobenem Speer jeden aufzuspießen, der es auf ihn abgesehen hatte.
»Er ist aus dem Grab gestiegen und holt uns alle!« Der Bursche mit der Zahnlücke ließ die Streitaxt fallen.
»Ich bringe dich noch einmal um, Gespenst!« Ein anderer Sklaventreiber ließ sich nicht so leicht einschüchtern und sprang Hugin mit dem Speer an. Doch das Boot war voller toter und sterbender Männer, und er rutschte aus, als er vorstieß. Hugin packte den Speer, lenkte die Spitze ab und köpfte den Angreifer. Im nächsten Moment hatte der zweite Mann unterhalb des Schilds die Hälfte seines Beins verloren. Er stürzte auf das blutige Deck, und Hugin versetzte ihm den Todesstoß seitlich auf den Kopf. Nun
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