Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Claw Trilogy 01 - Fenrir

Claw Trilogy 01 - Fenrir

Titel: Claw Trilogy 01 - Fenrir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M D Lachlan
Vom Netzwerk:
vorwärtsrollen.
    Grinsend erwachte abermals der Hunger in ihm und drängte ihn, Knochen zu horten wie ein Geizhals seinen Goldschatz.
    »Nein!«
    Doch er war, was er war, und es gab keine Möglichkeit, den Wolf zu bekämpfen. Der Gestank der kalten Leichen schlug ihm entgegen und rief ihn zur nächsten Abscheulichkeit. Sein Kinn wurde feucht vom Speichel, er knirschte mit den Zähnen.
    »Gott«, sprach er mit einem Blick zum Himmel. »Jesus, die Prüfungen, vor die du mich gestellt hast, waren zu schwer.«
    Dann machte er sich über die Leichen her, um den Heißhunger zu stillen.
    Der Wolf ließ nicht zu, dass Jehan das Schiff verließ, ehe er völlig gesättigt war. Der Winter gewann an Kraft, Schnee fiel auf seinen Rücken, doch er fror nicht. Niemand kam und störte sein Mahl. Helgi hatte seinem Volk verboten, sich dem Schiff zu nähern, weil er fürchtete, sie würden es zu Feuerholz zerlegen.
    Also blieb Jehan allein auf dem Eis und aß.
    Hin und wieder hörte er Männer in der Nähe. Mit Hämmern brachen sie das Eis auf, um zu fischen. Der schwere Geruch von öliger Wolle wehte im Nebel heran, dann der Geruch der Fische.
    Die Verwandlung ging schnell vor sich, und er spürte, wie er wuchs. Er streckte die Finger und stellte fest, dass sie seltsam in der Handfläche lagen, wenn er sie krümmte.
    Die Zunge war blutig, weil er sich beim Kauen immer wieder selbst biss. Unterdessen krümmte sich der Rücken, und die Schultern fühlten sich viel zu eng und gehemmt an.
    Die Winterzeit war voller Gerüche. Es war fast, als könnte er die Kälte selbst riechen. Die Feuer von Ladoga erzählten ihre Geschichten – altes Holz verbrannte, es war sehr trocken, weil es lange in einem Lager gelegen hatte. Zuerst der Duft von bratendem Fleisch, dann nur noch von Fisch.
    Auch der alte menschliche Gestank erreichte ihn – Kot und Urin, Schweiß, schlechte Zähne und Sekrete, die ganz eigene Geschichten über zu viel Alkohol oder von Anstrengungen bei der Arbeit, vom Sex und vom Fieber erzählten. Er aß.
    Die Leichen rochen für ihn wundervoll und waren faszinierend in ihrem Schwebezustand zwischen den Gerüchen des Lebens und der geringen Verwesung, die in der Kälte möglich war. Sie rochen ganz anders als lebendige Menschen, die Säfte in Magen und Gedärmen waren stärker, der Schweiß schwächer, im Blut die starke Witterung von Eisen.
    Er drehte die Toten herum und bemerkte die Rötungen in Rücken und Gesäß, wo sich das Blut nach dem Tod gesammelt hatte. Er staunte über dieses Detail des Todes. Dann erwachten schlagartig seine Schuldgefühle, und er rannte zum Heck des Schiffs, steckte sich die Finger in den Mund und wollte sich übergeben. Doch nach einer Weile ließ auch dies nach, und er spürte keine größere Abscheu als früher beim Biss in einen Apfel. Die Veränderung, die ihm die größten Sorgen bereitete, war das Entzücken, das er beim Fressen verspürte. So sehr er auch versuchte, sich zurückzuhalten und die Begeisterung zu unterdrücken, es gelang ihm nicht. Lachend und grinsend lag er auf dem Deck und streckte immer wieder den Rücken, der sich ungeheuer lang und geschmeidig anfühlte.
    Der Beichtvater war ein Mann von großer Willenskraft. Auch wenn er einsehen musste, dass er den Wolf nicht bekämpfen konnte, so bemühte er sich doch nach Kräften, nicht völlig unterzugehen. Gebete und Psalmen nützten ihm nichts. Er war von Gott getrennt und nur noch ein verdammtes Tier, das in Blut und Schleim umherkroch, aber wenigstens dachte er an sie. Er hatte sie gesehen, als er sieben Jahre alt gewesen war, und sie hatte ihm gesagt: »Suche mich nicht.« Dennoch hatte er nach ihr geforscht, wenngleich nicht mit dem Körper, so doch mit seinem Willen. Er hatte sie an seiner Seite spüren wollen, und sogar von seinem Gebrechen gezeichnet hatte er nach ihr gerufen und zugleich versucht, die innere Stimme durch Gebete zu übertönen.
    Jetzt rief er sie wieder: »Aelis, bitte, komm zu mir. Adisla. In meinem früheren Leben sagte ich, ich würde dich finden, und nun bin ich hier.«
    Der Nebel störte ihn nicht. Sein Geruchssinn und sein Gehör führten ihn in der Nacht zum Land, auch wenn es kein Licht gab. Am Tage, wenn die Sonne nicht mehr als ein heller Fleck hinter dem Nebelgrau war, konnte er manchmal Umrisse erkennen – Männer, die auf dem Eis fischten, oder Tiere, die sich über den gefrorenen Fluss wagten. Sie bemerkten ihn nicht. Er streifte umher und suchte nach ihr, doch anscheinend war sie fort. Er

Weitere Kostenlose Bücher