Clean Team
Fußboden, den Rücken an den Schreibtisch gelehnt, den Hörer ans Ohr gepresst und befühlte die frische Beule, die sich gerade auf meinem Kopf bildete.
- Brauchst du Eis?
- Ja, danke, das wär prima.
Es entstand eine kurze Pause.
Dann räusperte sie sich.
- Web, du weißt aber schon, dass ich nicht wirklich da bin, um dir Eis zu bringen, oder?
Ich blinzelte ein paarmal und versuchte, die Digitaluhr an der Wand zu fokussieren.
- Ja, schon klar. Sollte lustig sein.
- War’s aber nicht.
- Tja, unlustig sein ist wohl eher meine Stärke.
- Hab ich auch schon bemerkt.
Es gelang mir endlich, die Uhr scharf zu sehen. 00:32.
- Jedenfalls nett von dir, dass du mich an meinem Arbeitsplatz anrufst. Und das offensichtlich nur, um mir mitzuteilen, dass es mir völlig an Humor gebricht. Ich fühle mich sehr geschmeichelt durch so viel Aufmerksamkeit. Kann ich sonst noch was für dich tun, jetzt, nachdem ich dich nicht zum Lachen gebracht hab?
- Oh, ich hab über dich gelacht.
Ich zog die Hand vom Kopf und betrachtete meine Finger. Kein Blut. Immerhin.
- Über mich. Aber nicht mit mir.
- Nie die Hoffnung verlieren. Es sind schon ungewöhnlichere Dinge passiert.
- Da hast du auch wieder Recht.
Ich hockte eine Weile einfach nur da und presste den Hörer ans Ohr. Vermutlich tat sie dasselbe. Aber ganz offensichtlich besaß ich weniger Geduld als sie. Vielleicht sogar weniger Geduld als die meisten Menschen. Deshalb brach ich das Schweigen als Erster.
- Also, Soledad.
Ich sollte vielleicht anmerken, dass ich, als ich ihren Namen das erste Mal aussprach, weder stotterte noch in eine hohe quietschende Tonlage à la Tiny Tim verfiel. Eine Tatsache, die ich mir nachträglich hoch anrechne. Ein Mann von geringerer Nervenstärke hätte sich durch einen furchtbaren Sprachtick entlarvt. Nicht jedoch ich.
- Also, Soledad. Warum, zum Henker, rufst du an?
- Ach, richtig. Also, ich würde dir ja gern sagen, ich ruf an, um dich auf einen Kaffee einzuladen oder was ähnlich Mehrdeutiges und zugleich Unverbindliches.
Erstaunlich, mit welcher Ruhe und Lässigkeit ich ihre Bemerkung quittierte.
- Aber das ist nicht der Fall?
- Nein.
- Und was ist dann der Fall?
- Ich brauche deine Hilfe.
Hilfe? Sie ist in Not? Und trotzdem nicht das leiseste Zittern in meiner Stimme?
- Welche Art von Hilfe?
- Es muss was gereinigt werden.
Aber natürlich. Wie hätte es anderes sein können. Meine Erfahrungen als Hausmeister waren gefragt. L.L. wäre stolz auf mich gewesen.
Aber wer bin ich, dass ich gleich springe, wenn eine Frau mit den Fingern schnippt?
- Was muss gereinigt werden und wann?
- Ein Zimmer. Jetzt.
Ich starrte erneut auf die Uhr. 00:35. Ein Zimmer reinigen? Kurz nach Mitternacht. Tickt die Frau noch richtig? Ich mach mich doch nicht zu ihrem hirnlosen Werkzeug.
- Wo bist du?
Sie war natürlich in dem Motel. In dem Raum mit dem ganzen Blut. Und bei ihr war der Typ, mit dem ich in den Arschloch-Wettstreit trat.
Ein Titel, den ich bereit war zu akzeptieren, als er sein Butterfly-Messer aufblitzen ließ.
Falls das noch irgendwas klingeln lässt.
WIE DAS MIT DEM ATMEN FUNKTIONIERT
Der Typ mit dem blondierten Hahnenkamm hielt mir sein Messer unter die Nase. Ein Rest getrockneten Bluts klebte am Griff.
- Sag das noch mal. Los. Wenn du noch einmal meine Mom erwähnst, zeig ich dir, was Bruce Lee so draufhatte.
Ich stellte mich mit dem Rücken zur Tür und hielt mir die Kiste mit Reinigungsutensilien vor die Brust.
- Nein, das war’s so weit von meiner Seite. Ich sag nichts mehr.
Er kam einen Schritt auf mich zu und ließ das Messer wirbeln.
- Ich dachte, du wolltest noch was loswerden, Arschloch.
- Hat es wehgetan?
Er zögerte, das Messer hörte auf zu wirbeln.
- Was?
Ich sprach betont langsam.
- Als. Du. Gedacht. Hast. Hat das wehgetan? Ich hab nämlich den Verdacht, du bist nicht sehr geübt darin.
Er rammte mir den Unterarm gegen die Kehle, presste mich rückwärts gegen die Tür und bohrte mir die Messerspitze in die Wange.
- Arschloch! Fresse, hab ich gesagt! Oder hast du daran was nicht verstanden?
Ich spielte kurz mit dem Gedanken, ihm die Kiste in die Eingeweide zu donnern. Doch das letzte Mal, dass ich mich mit jemand anderem als Chev geprügelt hatte, war in der Grundschule gewesen. Und das war damals Dillard Hayes, ein mageres Jüngelchen, das
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