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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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zwei jungen Männern, die wieRockstars aussahen, im Café zu sitzen. So war es also, wenn man mit zwei erwachsenen Söhnen ausging. Ich fragte mich, wie oft wir zu dritt unterwegs gewesen wären, wenn Sam noch am Leben gewesen wäre. Wären die Begegnungen von einer ebensolchen Innigkeit gewesen, unterlegt mit einer fast unerträglichen Traurigkeit? Vielleicht hätten sie ganz anders ausgesehen, vielleicht wären sie von den unausgesprochenen Irritationen und Missverständnissen begleitet gewesen, die sich in das Leben so vieler Familien schlichen.
    »Weißt du, was meine lebhafteste Erinnerung ist?«, fragte Jason, während er die Weinliste studierte.
    »Das Graben!«, riefen die beiden wie aus einem Munde.
    Ich muss verwirrt gewirkt haben.
    »Erinnern Sie sich nicht an die verwilderte Ecke in Ihrem Vorgarten? Rob und ich hatten beschlossen, dort ein Loch zu graben. Wir schaufelten eine halbe Ewigkeit und das Loch wurde und wurde nicht tiefer.«
    Plötzlich sah ich wieder die zwei kleinen Jungen vor mir, die in der Erde unter dem Farnbaum gruben.
    »Stimmt«, sagte ich. »Ihr hattet Spaten und eine Hacke. Die Hacke hätte ich euch wahrscheinlich wegnehmen müssen. Heute würde ich mir eine Anzeige dafür einhandeln.«
    »Aber darum ging es doch gerade«, sagte Jason. »Das Ganze hatte etwas Gefährliches und Männliches an sich. Erinnern Sie sich noch an den Tag, als wir diesen verrosteten Lattenrost fanden? Wir legten ihn über das Loch und benutzten ihn eine Zeit lang als Trampolin. Dann fing das Rumgehüpfe an, uns zu langweilen, und wir nahmen ihn weg und gruben weiter.«
    Noch heute würde er sich manchmal fragen, erzählte Rob, warum das Loch eigentlich nie viel tiefer geworden sei. Wenn er als Erwachsener einen Ausflug in die Vergangenheitmachen könnte, dann wäre die Sache an einem Nachmittag erledigt.
    »Vielleicht war es einfach zu groß«, sagte ich. »Wie tief sollte es denn überhaupt werden?«
    »So tief wie ein anständiges Loch eben«, erwiderte Jason.
    Ich hatte ein etwas schlechtes Gewissen, dass die Jungen keine Erinnerungen daran hatten, wie ich ihnen Mandarin oder Gregorianische Gesänge beibrachte. Wenn Jason auch nur die Hälfte von Ginnys Verstand geerbt hatte – sie hatte gerade ihre Promotion gemacht –, dann wäre ihm das bestimmt leichtgefallen. Andererseits hatte das Graben womöglich einen Anteil daran, dass sie zu so weisen jungen Männern geworden waren.
    Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass irgendwo unter all der Wohlerzogenheit und der Ungezwungenheit, mit der sie Rotwein tranken, dieselben kleinen Jungen steckten, die damals am Ziegenpfad gewohnt hatten. Ich musste an die geheimnisvolle Verjüngung des australischen Buschs nach einem Feuer denken, als ich sie so betrachtete. Zwischen den schwarzen Baumskeletten bilden Proteaceen und Akazien neues Unterholz. Ein ähnlicher Erneuerungsprozess hatte aus den beiden Kindern starke, gut aussehende junge Männer gemacht. Damals hatte ich in meiner Trauer die Widerstandskraft der Natur unterschätzt.

 
    35
    E rneuerung
    Für die paradoxe Katze ist
    ein Ende manchmal ein Anfang.
     
    Ein Kätzchen schließt man leicht ins Herz. Alles an dem weichen Fellbündel sagt, halt mich fest, streichel mich. In ihren mittleren Jahren lässt sich eine Katze wegen ihres glänzenden Fells und der Eleganz ihrer Bewegungen bewundern. Die Liebe zu einer alten Katze ist dagegen in langen Jahren gewachsen. Sie pinkelt auf Kissen und übergibt sich als Form stillen Protestes. Wenn man mit einer alten Katze zusammenwohnt, lernt man, nachsichtig zu sein. Selbst die Leute, die nie besonders großen Wert auf ihre Einrichtung gelegt haben, bedecken jetzt ihre Möbel mit alten Handtüchern und Decken.
    Cleos Fell wurde dünner und roch ein bisschen wie eine ägyptische Grabstätte. Sie überlegte es sich gut, bevor sie ihre arthritischen Gelenke dazu zwang, auf ein Sofa zu springen. Immer wenn Fremde zu Besuch kamen, bildete ich mir ein, einen kurzen Moment den Ausdruck von Ekel auf ihren Gesichtern zu sehen, wenn sie zur Begrüßung auf sie zuschwankte. Unsere greise Katze war keine Schönheit mehr, aber unsere Liebe zu ihr wuchs mit dem Wissen, dass die gemeinsame Zeit bald zu Ende gehen würde.
    Die rechte Hälfte ihres Gesichts schwoll eines Tages so stark an, dass sie das Auge nicht mehr öffnen konnte. Ich hüllte sie in eine Decke und brachte sie wieder zum herzlosenTierarzt. Bei unserem letzten Besuch hatte sich unsere Meinung über ihn

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