Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
Vom Netzwerk:
grundlegend geändert.
    »Hm«, brummte er. »Ein Abszess am Zahn. Ich könnte ihr den Zahn ziehen, aber sie ist so schwach, dass sie die Operation wahrscheinlich nicht überleben würde.«
    Er riet zum Naheliegenden, sanftmütiger dieses Mal, während er ihr über den Rücken streichelte.
    »Ich weiß, wie es ist, wenn ein Tier über so lange Zeit zur Familie gehört hat«, sagte er.
    Er schickte uns nach Hause, damit wir darüber nachdächten. Wenn Cleo ein Mensch wäre, dann würde man sie wie meine Mutter dazu zwingen, eines »natürlichen« Todes zu sterben. Bei ihr hatte ich mitbekommen, wie ausgeliefert man einer Krankheit sein kann, wie der Kranke in ein graues Reich der Schmerzen tritt, in dem der Tod zum willkommenen Besucher wird. Vielleicht ist das ein Trick der Natur, damit wir uns letztlich nicht gegen das Sterben wehren. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich das, was meine Mutter durchmachen musste, nicht erleben wollen. Glücklicherweise garantierte der Tierstatus von Cleo, dass sie das nicht musste. Der Tod ist einer der wenigen Bereiche, in denen Tiere mehr Rechte eingeräumt werden.
    Auch Katharine stimmte mir mit tränenüberströmtem Gesicht zu, es sei das Beste. Philip half uns, Cleo für ihren letzten Gang zum herzlosen Tierarzt, der überhaupt nicht herzlos war, wie ich beschlossen hatte, in ihre Decke zu hüllen.
    »Es ist an der Zeit, altes Mädchen«, sagte er und ließ eine feine Nadel in ihre Pfote gleiten. Er ging so sanft dabei vor, dass sie nicht einmal zuckte. Während wir Abschied nahmen, rollte sich Cleo zu einer Mondsichel zusammen. Ihr Kopf sank zur Seite. Dann war sie weg.
    Der Tierarzt legte sie in eine undurchsichtige Plastiktüte und wir trugen sie in ihrer Decke nach Hause.
    Philip grub ein Loch unter dem Lorbeer im Vorgarten. Der Spaten stach mit regelmäßigen Bewegungen in die Erde. Philip war nicht in der Stimmung zu reden. Ich betrachtete seinen Hinterkopf, während er da so grub, und mir wurde klar, wie sehr er litt – nicht auf diese kameragerechte expressive Art, die leider bei beiden Geschlechtern in Mode gekommen war. Seine Trauer war still, würdevoll, die Art, für die Männer bekannt gewesen waren, bevor man ihnen weismachte, sie sei schädlich für die Gesundheit.
    Ich hätte mir gewünscht, dass er den Spaten hinlegt und sich von mir in den Arm nehmen lässt, aber das hätte die Sache nicht leichter gemacht. Männern hilft es, wenn sie etwas zu tun haben. Abgesehen davon vergoss ich schon genug Tränen für uns zwei.
    Nach einer halben Ewigkeit hielt er endlich inne und stützte sich auf den Spaten. Wir starrten beide in das Loch. Es war wahrscheinlich tiefer als nötig, aber Philip gehörte eben zu den Menschen, die es besonders gut meinten, wenn es um ihre Familie ging. Und Cleo war nun einmal ein Teil von ihr gewesen.
    »Wir sollten sie wohl nicht in ihrer Decke begraben«, sagte er.
    Er wickelte Cleos leblose Gestalt aus der Decke und ließ sie aus dem Plastiksack auf den Erdhügel gleiten. Dann bückte er sich und küsste sie auf den Kopf, bevor er sie in das Loch legte.
    »Sie gehörte länger zu der Familie als ich«, seufzte er.
    Die Vögel sangen ein Requiem, während die Erde Schaufel um Schaufel ihren Körper bedeckte.
     
    In einigen Kulturen ist es Tradition, seine Verwandten im Garten zu begraben. Jetzt begriff ich, warum. Jeden Morgen begrüßte ich Cleo auf dem Weg zum Briefkasten. Der Gärtner sah mich erschreckt an, als ich ihm sagte, dass er um den Lorbeer herum nicht zu tief graben durfte. Unsere geliebte Katze sollte in ihrer letzten Ruhe nicht gestört werden.
    Cleo war beinahe vierundzwanzig Jahre unser Familienoberhaupt gewesen. Mit ihrer Hilfe waren Wunden geheilt, von denen ich nicht gedacht hatte, dass sie jemals heilen würden. Vielleicht war ihre Aufgabe jetzt erledigt und der Trauerprozess abgeschlossen, so dass wir von nun an ohne sie auskämen. Nur ließ sie uns mit einer neuen Art Trauer zurück. Plötzlich verstand ich auch, warum die alten Ägypter ihre Augenbrauen abrasierten, wenn in einer Familie eine Katze starb.
    Alle möglichen Leute erkundigten sich, wann wir uns eine neue Katze anschaffen würden. So als führte eine Katze automatisch zur nächsten. Eine Freundin nahm mich mit in eine Zoohandlung. Wir sahen ein paar Kätzchen beim Herumtollen in einem Käfig zu. Die meisten davon waren Schildpattkatzen. Entzückend. Während sie miteinander balgten, verwandelten sie sich zeitweilig in ein einziges herumrollendes

Weitere Kostenlose Bücher