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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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den Laster geschleppt.
    Als ich den Gummibaum in einen hässlichen orangefarbenen Plastikeimer pflanzte, gab ihm das neuen Auftrieb. Er trieb frische dunkelgrüne Blätter in der Größe von Frisbeescheiben aus und schickte unheimliche Fühler los, die um Bilderrahmen und über Vorhangschienen krochen. Das Ding, das mittlerweile eindeutig eher ein Baum war, machte Anstalten, den ganzen Vorort zu verschlingen. Mein Versuch, ihn mit einer Heckenschere zu beschneiden, endete damit, dass er die Kommode überwucherte.
    Cleo blieb etwa einen Meter vor dem orangefarbenen Eimer stehen, duckte sich und musterte mit der hinterhältigen Entschlossenheit eines Löwen, der sich an eine Antilope heranpirscht, ihre Beute – ein Blatt, das von einem der unteren Äste baumelte. Vor Anspannung leicht zitternd wartete sie auf den Moment, in dem das Blatt nicht aufpasste. Als sie überzeugt war, dass das Opfer in seiner grenzenlosen Dummheit irgendwelchen Blattgedanken nachhing, griff sie es mit Ingrimm an und bohrte ihre Zähne in sein überraschtes Fleisch.
    Dann passierte etwas ganz Erstaunliches. Es setzte mit einem Laut ein, der zunächst fremd erschien, ein leises Gurgeln, dem so etwas Ähnliches wie ein Schluckauf folgte. UnsereMünder öffneten sich, das weiche Innere unserer Kehlen zog sich krampfartig zusammen, aber dieses Mal nicht, weil wir losheulten. Es war Lachen. Rob und ich lachten. Das erste Mal seit Wochen geben wir uns der einfachsten und komplexesten Heilmethode hin, die die Menschheit kennt. Ich hatte ganz vergessen, wie es war, zu lachen, so tief hatte mich die Trauer in ihren Abgrund gezogen. Es brauchte einen Jungen, sein Kätzchen und einen Gummibaum, um eine für die menschliche Gesundheit entscheidende Grundfunktion bei mir wieder in Gang zu bringen. Das Grauen der letzten Wochen verschwand, die Fesseln des Schmerzes lockerten sich für einen Moment. Wir lachten.
    Im Kampf zwischen Cleo und dem Gummibaumblatt stand der Gewinner von vornherein fest. Das Blatt war doppelt so groß wie Cleo und fest mit dem Ast verbunden. Jedes Mal, wenn sie ihren grünen Gegner mit den Krallen festzuhalten versuchte, entglitt er ihr und federte frech wieder gen Himmel.
    »Die Kleine traut sich was«, sagte ich.
    Plötzlich hielt die Katze inne und setzte sich auf die Hinterbeine. Mit einem diktatorischen Miauen sah sie zu uns hoch. Eine Übersetzung war überflüssig. Cleo hatte keine Lust mehr, uns zu unterhalten. Sie wollte hochgehoben und gestreichelt werden. Ein schmerzliches Heulen aus der Küche erinnerte uns daran, dass es Zeit für Cleo war, die Dame des Hauses kennenzulernen.
    Ich sagte Rob, er solle Rata aus der Küche lassen, während ich Cleo festhielt. Aber was, wenn Rata sich auf die Katze stürzte und sie zu fressen versuchte? In einem solchen Fall konnte nur die starke Hand eines Erwachsenen den Hund bremsen. Es blieb also bloß die Möglichkeit, dass Rob das Kätzchen hielt und nicht losließ, während ich Rata holte.
    Außer sich vor Freude, aus dem Küchengefängnis befreit zu werden, leckte Rata mich ab, als ob sie mich duschen wollte. Sie schien meinen Würgegriff um ihr Halsband gar nicht zu bemerken.
    »So, altes Mädchen, da ist jemand, den wir dir vorstellen möchten«, sagte ich und kam mir vor wie eine Zahnärztin, die einem kleinen Patienten das erste Mal einen Bohrer vorführt. »Du musst keine Angst haben, nur ganz vorsichtig sein.«
    Rata wusste genau, wo es hinging. Wie ein Düsenboot mit einem Wasserskifahrer im Schlepptau zog sie mich ins Wohnzimmer, wo Rob am Fenster stand und Cleo besorgt unter sein Kinn drückte. Rata sah die Katze und spannte jeden Muskel unter ihrem Halsband an. Cleo riss die Augen auf, bis sie wie zwei Riesensmaragde aussahen. Sie sträubte ihr Fell, um sich doppelt so groß zu machen, aber selbst das hätte nicht einmal genügt, um einen Chihuahua zu beeindrucken. Sie machte einen Buckel und legte die Ohren flach. Gerade als ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, gab Rata ein Bellen von sich, das die Stille im Zimmer wie Kanonendonner durchschlug. Das Kätzchen musste vor Schreck einen Herzschlag kriegen.
    Jedes normale Tier, das mit einem um so vieles größeren Gegner konfrontiert wurde, hätte sich in Robs Armen versteckt, aber Cleo war kein normales Tier. Sie funkelte von ihrer menschlichen Festung herunter, verengte ihre Pupillen zu Stecknadelköpfen und legte ausreichend Bösartigkeit in ihren Blick, um das gesamte Hundeimperium einzuschüchtern. Dann

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