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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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älteren Geschwister hatten die kleine Schwester bestimmt immer zur Seite geschubst, um sich selbst den Bauch vollzuschlagen.
    Das Kätzchen würde furchtbar viel fressen und wachsen müssen, um all die Hautsäcke zu füllen. Doch selbst dann war die Wahrscheinlichkeit, dass es halbwegs passabel aussehen würde, gleich null. Eine größere, ausgefüllte Version des Kätzchens könnte im Gegenteil in der Geisterbahn auftreten. Ich trat einen Schritt zurück. Es gehörte eindeutig zuden Dingen, die aus der Distanz besser aussahen. Wenigstens die Färbung war durchgehalten. Schwärzer konnte es nicht sein. Selbst seine Krallen waren schwarz. Angefangen bei den Krallen über die Pfoten bis hin zu den Schnurrhaaren war es pechschwarz. Nur die Augen bildeten eine Ausnahme. Sie waren glänzende grüne Spiegel, die eigentlich nicht zu einer Katze gehörten. Sie mussten einem Wesen aus einer anderen Welt gestohlen worden sein. Rob strich dem Kätzchen mit seinem Finger über die Stirn und es sah bewundernd zu ihm hoch. Die beiden sahen aus wie ein Werbespot aus den fünfziger Jahren.
    »Sam hatte recht«, sagte er und überreichte mir Cleo vorsichtig. »Tiere können wirklich sprechen. Hör mal. Sie knurrt.«
    Womöglich war es ihr Fliegengewicht in meiner Hand, die Zerbrechlichkeit ihrer Gliedmaßen oder die Weichheit ihres Fells, jedenfalls füllte sich meine Brust plötzlich mit irgendetwas Butterweichem. »Das ist kein Knurren«, sagte ich und fuhr mit meinem Finger über das zarte Perlenband ihres Rückgrats. »Sie schnurrt.«
    Einen kurzen Moment überwältigte mich der Anblick des unschuldigen, von gigantischen Ohren überschatteten Fellgesichts. Dieser Winzling von Katze besaß die Frechheit, einfach so, ohne Entschuldigung in unser Leben zu platzen, obwohl wir doch Sam verloren hatten und ich manchmal das Gefühl hatte, dass für mich damit alles zu Ende war. Nicht nur das, wie sie da zusammengerollt in meinen Händen lag, schien sie auch noch zu erwarten, dass sich alles zum Besten wenden würde. Sie war so klein, so hilflos. Und hatte keine andere Wahl, als uns zu vertrauen.
    Cleo steckte lässig eine ihrer kleinen Pratzen aus und gähnte, wobei sie ein bonbonrosa Maul, gesäumt von gefährlichaussehenden Zähnen, präsentierte. Die verblüffenden Augen starrten mich mit einem Ausdruck an, der nicht so ganz zu ihrer Winzigkeit und Verletzlichkeit passen wollte. Der unerschütterliche Blick sagte alles. Aus ihrer Sicht begegneten wir einander auf Augenhöhe.
    »Du musst mal ihre Ohren anfassen«, sagte Rob. »Sie sind ganz weich.«
    Cleo hatte nichts dagegen, an den Ohren gestreichelt zu werden, im Gegenteil, sie senkte den Kopf und schmiegte sich in meine Hand. Ich erwartete kein Dankeschön. Ihre Ohren glitten wie kostbare alte Seide durch meine Finger.
    Es kam mit einer sandpapierartigen Zunge. Cleo leckte mir über den Handrücken, und das war ähnlich überraschend wie der erste Kuss. Ein Teil von mir wollte sie festhalten und nie wieder hergeben. Der andere, tief verwundete, war besorgt über diesen Tsunami von Zuneigung, der mich überschwemmte. Lieben heißt letztlich verlieren. Der Vertrag, den man bei der Ankunft jedes Haustiers stillschweigend abschließt, bedeutet, dass es wahrscheinlich vor einem sterben wird. Je mehr man sie liebt, desto schmerzhafter wird man ihren Verlust empfinden. Wenn ich Cleo mein Herz öffnete, dann wäre das so, als würde ich ein ohnehin schon wundes Organ auf ein Rollfeld legen und Flugzeuge zur Landung einladen.
    »Mal sehen, wie sie läuft«, sagte ich und setzte das Kätzchen auf den Boden. Wir sahen ihr zu, als sie wie ein aufziehbares Blechspielzeug über den Teppich wackelte. Der Teppich musste ihr wie hohes, fast undurchdringliches Gras vorkommen. Sie verwendete ihr dünnes wurmartiges Schwänzchen als Steuerruder und stakste auf den Gummibaum zu.
    Ich war nie ein Fan des Gummibaums gewesen. Wir hatten ihn von den Vorbesitzern unseres letzten Hauses geerbt.Ich verstand allmählich, warum sie ihn zurückgelassen hatten. Mit seinen großen, wachsartigen Blättern hatte er eine unzerstörbare und irgendwie humorlose Präsenz. Wie ein ungebetener Gast beim Abendessen hörte er jedes Gespräch mit, ohne irgendetwas dazu beizutragen, außer vielleicht, wenn ihm gerade danach war, etwas Sauerstoff. Wir hatten gehofft, dass wir das Ding zurücklassen könnten, als wir auf den Ziegenpfad gezogen waren, aber die Umzugsleute hatten ihn irrtümlich zusammen mit unseren Möbeln in

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