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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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bitteren Schmerz, ohne Sam leben zu müssen. Trotzdem stellte ich, beinahe mit einem leichten Schuldgefühl, fest, dass die letzten vierundzwanzig Stunden nicht nur trostlos gewesen waren.
    Steve musste natürlich noch überzeugt werden, aber Cleo erwies sich für ein Kätzchen als erstaunlich zivilisiert.

 
    6
    E rwachen
    Ein Kätzchen weiß,
    dass Freude wichtiger ist als Selbstmitleid.
     
    »Aua! Hilfe!«
    Ich schreckte aus dem Schlaf auf, etwas riss brutal an meinen Haaren. Ein wildes Tier attackierte meinen Kopf, hieb seine Krallen in meine Haare und gab dabei bedrohliche Schmatzlaute von sich. Es musste ein Tiger oder Löwe sein, der aus einem Tierfilm entsprungen war. Egal was es war, es verwechselte mich jedenfalls mit einer Antilope, die gefressen werden wollte. Sein Atem stank nach Fisch, offenbar fraß es also auch Meeresbewohner.
    »Das ist nur Cleo«, kicherte Rob.
    Cleo? Wie konnte sich ein kleines Kätzchen innerhalb weniger Stunden in einen frauenfressenden Panther verwandeln?
    »Nimm das Vieh weg!« , rief ich.
    »Sie ist kein Vieh «, sagte er, befreite Cleo aus meinen Haaren und setzte sie auf den Boden. Kaum hatten ihre Pfoten den Teppich berührt, war sie auch schon zurück aufs Bett gesprungen, um wieder über meine Haare herzufallen. Ich jaulte vor Schmerz auf. Das befriedigte Schnurren der Katze brachte mein Trommelfell zum Erzittern. Ist das etwa das Letzte, was die Beute einer Raubkatze hört?
    Kaum hatte ich die Katze ein zweites Mal aus meinen Haaren gewickelt und auf den Boden gesetzt, hüpfte sie erneutzurück aufs Bett. Es war mir ein völliges Rätsel, wie ein so kleines Tierchen das Mehrfache seiner Körpergröße mit einem Satz überwinden konnte. Sie kam mir vor wie eine Stabhochspringerin ohne Stab. Vielleicht hatte man ihr in die Hinterbeine Sprungfedern implantiert. Ich seufzte und warf sie ein drittes Mal aus dem Bett. Mit Augen, die wie Neonschilder leuchteten, und Ohren so groß wie Schmetterlingsflügel sprang sie ein drittes Mal zurück. Sie schien das Ganze für ein Spiel zu halten und nahm keinerlei Rücksicht darauf, dass wir uns mitten in einem Trauerprozess befanden, den wir wohl kaum jemals abschließen würden.
    »Neiiin!«, wimmerte ich und benutzte das Kissen als Versteck. Cleo jubelte, hochzufrieden mit ihrer Leistung. Man hätte meinen können, dass sie weltweit die erste Katze war, die das Haarangriff-aufs-Bett-zurückspringen-Spiel spielte. Womöglich stimmte das sogar. Das Kissen half auch nicht weiter: Cleo kroch einfach darunter. Ich setzte sie wieder auf den Boden, sie sprang hoch. Rauf. Runter. Rauf. Runter. Wenn ich nicht bald etwas unternahm, würde das den ganzen Morgen so gehen.
    Wäre Steve zu Hause gewesen, hätte ich ihn als menschliches Schutzschild benutzen können. Aber er hatte ja noch nicht einmal offiziell zugestimmt, dass wir eine Katze aufnahmen, geschweige denn eine, die Menschen fraß. Für ihn war Cleo bislang nicht mehr als die Idee eines Kätzchens. Ich hatte sie ihm am Telefon haarklein beschrieben. »Du wirst sie lieben!«, hatte ich gesagt. Trotz all meiner Marketingkünste machte er keinen besonders begeisterten Eindruck. Ich freute mich nicht auf seine Reaktion, wenn er von der See zurückkehren würde. Er würde ungefähr so leicht für Cleo zu erwärmen sein wie der Papst für den Buddhismus.
    Lustlos rollte ich mich aus dem Bett und schlüpfte in meinen Morgenmantel. Als ich schläfrig in die Küche schlurfte, merkte ich, dass etwas an mir zog. Cleo hing am Gürtel meines Morgenmantels wie Tarzan an einer Liane.
    »Böses Kätzchen!«, sagte ich, pflückte sie von meinem Gürtel und setzte sie auf den Boden. Kaum versuchte ich den Gürtel um meine Taille zu wickeln, sprang sie auf meine Hüften, hieb ihre Krallen in mein Fleisch und erwischte, während ihr Schwanz wild herumruderte, den Gürtel mit ihren Zähnen. Das zweite Mal an diesem Morgen schrie ich vor Schmerz auf.
    Das Tier von meinem Oberschenkel zu entfernen tat mehr weh als jede Heißwachs-Enthaarung. Offenbar verstand die junge Katzendame nur eine Sprache: Strenge. Ich wickelte den Gürtel um meine Taille, zog den Knoten fest und ging mit so viel Würde, wie ich aufbringen konnte, weiter. Cleo flitzte los und drängte sich geschickt zwischen meinen Knöcheln durch, bevor sie plötzlich schlitternd zum Stehen kam und einen Buckel machte. Wie in Zeitlupe stolperte ich über sie, verlor das Gleichgewicht und schaffte es gerade noch, mich an einem Wandbehang

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