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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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Maunzen von nebenan zu übertönen. Etwas an ihren Schreien gab mir den Rest. Es war aber nichtnur die Katze, der Daumen und der Ehemann. Es ging auch um die gerichtliche Untersuchung am nächsten Morgen. Steve würde dieser Frau gegenübertreten. Die Polizei würde ihre Schuld beweisen. Sie würde ins Gefängnis gehen. Ich würde endlich akzeptieren müssen, dass Sam tot war.
    Cleo schrie lauter. Ich fing am ganzen Leib an zu zittern. Mein Atem kam nur noch stoßweise. »Ich halt das nicht mehr aus! Sie muss zurück zu Lena!«
    Rob starrte auf sein Risotto und schluckte die Tränen runter. »Du. Bist. So. Gemein.«
    Mein Stuhl quietschte über den Boden, als ich aufsprang und ins Schlafzimmer rannte. Dort warf ich mich laut schluchzend aufs Bett. Ich wusste, dass Rob Recht hatte. Ich war gemein. Und ich hatte mich nicht mehr im Griff. Eine schlechte Mutter, eine Versagerin als Ehefrau, überhaupt, ein unnützer Mensch. Ich sehnte mich danach, dass mich der Schlaf in seinen Mantel hüllte.
    Stattdessen berührte eine Kinderhand meine Schulter. »Sie mag dich doch, Mummy«, flüsterte er. »Hör mal.«
    Ein Fellknäuel schmiegte sich an meinen Hals. Das rhythmische Schnurren dröhnte in meinen Ohren. Es war das tiefe urzeitliche Geräusch von Wellen, die über die schwarzen Sandstrände meiner Kindheit rollten, das Geräusch, das ein Kind im Mutterleib vernimmt. Es klang so weise und zeitlos, dass es das Wiegenlied der Erde oder die Stimme Gottes hätte sein können.
    Angeblich hat das Schnurren einer Katze eine große Wirkung auf den menschlichen Körper. Anhand von Tests ließ sich nachweisen, dass Schnurren Stress reduziert, den Blutdruck senkt und die Heilung von Muskel- und Knochenverletzungen unterstützt. Diese Fähigkeiten machen sich mittlerweile immer mehr Krankenhäuser und Altenheimezunutze, indem sie sich einen eigenen Katzendoktor anschaffen. Die regelmäßige Zufuhr von Schnurrgeräuschen kann offenbar auch Herzgewebe heilen. Als ich ihr kehliges Lied hörte, füllte sich meine Brust jedenfalls mit flüssigem Honig.
    Cleo rieb ihren Kopf an meinem Kinn, sah mich mit mütterlicher Sorge an und versetzte mir zu meiner Überraschung einen sanften Stupser mit ihrer feuchten Nase. Das musste ein Katzenkuss gewesen sein, ganz sicher. Dann schmiegte sie sich an meinen Hals und streckte eine zierliche Vorderpfote über mein Gesicht. Ich nahm die Pfote zwischen meine Finger, streichelte sie und sah zu, wie die Krallen sanft ausgefahren und wieder zurückgezogen wurden. Dieses Mal drohte von ihnen kein Angriff. Die Ballen an ihren Pfoten waren weicher als meine Fingerspitzen und so empfindlich, dass sie das leichte Zittern der Erde spürten (etwas in der Art hatte ich jedenfalls gehört). Als wir so »Hand in Hand« dalagen, überwanden unsere Seelen die Kluft zwischen den Arten und stellten eine Verbindung her, die ohne Worte auskam.
    Stunden später wachte ich auf, Cleo eingekeilt zwischen den Laken, ihr Kopf neben meinem auf dem Kissen. Sie schien das für ihr gutes Recht zu halten. Sie lag reglos da, die Spitzen ihrer Ohren auf der weißen Baumwolle, entspannt und gleichmäßig atmend, und ich fragte mich, ob wir nicht immer so geschlafen hatten, Mensch und Katze, Seite an Seite, seit Anbeginn der Zeiten.

 
    9
    G öttin
    Eine Katze ist eine Priesterin im Fellkleid.
     
    »Du magst Cleo doch, oder?«, fragte Rob am nächsten Morgen beim Frühstück.
    Ich öffnete das Küchenfenster. Wieder strich eine Seemöwe kreischend über den blauen Hafen. Die abgenagte Zugschnur wehte in der Brise. Steve hatte schon seine Krawatte umgebunden und war zum Gericht aufgebrochen.
    »Ja.« Ich seufzte.
    »Das ist gut, weil sie dich nämlich auch mag.«
    »Na klar«, sagte ich und lächelte ein wenig.
    »Nein, Mummy. Sie mag dich wirklich!«, erklärte er. »Das hat sie mir gestern Nacht gesagt.«
    »Das ist nett, mein Schätzchen«, erwiderte ich. »Und jetzt iss deinen Toast auf.«
    »Sie hat mir noch viele andere Sachen gesagt.«
    Rob war ein sensibles Kind. Er hatte Schlimmeres erlebt, als ein Kind in seinem Alter erlebt haben sollte. Wir hatten nicht mit ihm über die gerichtliche Untersuchung gesprochen, aber womöglich hatte er unsere Anspannung gespürt. Jetzt spann er sich irgendetwas darüber zusammen, dass die Katze mit ihm sprach.
    »Sie sagt, sie stammt aus einer alten Familie von Katzenheilern«, fuhr er fort.
    Mit dem armen Kind war tatsächlich die Fantasie durchgegangen.
    »Das hast du geträumt?«, fragte

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