Cleo
Blick wanderte in diesen Tagen unruhig herum, von den Gardinen zum Teppich und von dort zum Gummibaum. Nur nie zu meinen Augen. Als er mich fragte, ob ich mit zum Gericht gehen würde, weigerte ich mich. Schon allein die Vorstellung war zu viel. Hätte ich den Mut aufgebracht, mitzugehen, wäre das für unsere Ehe besser gewesen. Wir waren damals beide höchst trostbedürftig und verfügten gleichzeitig über keine Reserven, um dem anderen zu helfen.
Rob rief uns ins Wohnzimmer, wo er über Cleo kauerte und Steves Socke vor ihrer Nase baumeln ließ. Er warf die Socke durch das Zimmer. Cleo jagte hinterher, fing sie mit den Zähnen, trottete zurück zu Rob und ließ sie vor seine Füße fallen. Dann setzte sie sich brav neben ihn und blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
»Seht ihr? Sie kann apportieren!«
»Nur Hunde können apportieren«, sagte Steve und hob seine Socke auf.
»Versuch es doch selbst«, sagte Rob.
Zögernd warf Steve die Socke in die Luft. Cleo schoss davon und holte sie, wobei sie sie dieses Mal vor meinen Füßen ablegte.
Das Kätzchen sorgte dafür, dass es gerecht zuging beim Sockenwerfen. Sie wollte, dass die ganze Familie an dem Spiel teilnahm.
»Cleo kann Strumpfball spielen!«, sagte Rob.
Ihre Begeisterung war grenzenlos. Wir drei starrten bald wie gebannt auf das kleine drahtige Wesen, das um sein Sockenopfer herumtänzelte. Ich war fast erleichtert, als die Socke unters Sofa rollte. In den fünf Zentimeter hohen Spalt zwischen Sofa und Boden würde sich Cleo garantiert nicht quetschen können.
Aber da hatte ich ihre Yogakünste unterschätzt. Sogleich drückte sie ihr Hinterteil flach auf den Boden und schob sich unter das Sofa. Es sah aus wie eine umgekehrte Geburt.
Die Stille war zermürbend. Sie musste dort unten feststecken. Sekunden später erschien eine einzelne schwarze Pfote hinter der Rückenlehne des Sofas, gleich darauf eine zweite. Dank des Einsatzes sämtlicher Krallen kam ein Gesicht zum Vorschein, viel platter als das letzte Mal, als wir es gesehen hatten, die Augen halb geschlossen, die Ohren nicht mehr als zwei Lappen, die am Schädel klebten. Triumphierend hatte sie die Socke in die Schnauze geklemmt.
Die Sonne schimmerte wie ein gigantisches Tigerauge, das hinter den Hügeln versank. Müde vom Tag färbte sich der Himmel rosa. Ich streifte eine Kaschmirjacke über und fing an, eine Hühnerbrust klein zu schneiden. Ein mildes Risotto würde niemandes Geschmacksnerven beleidigen.
Cleo hob schnüffelnd die Nase und schloss halb die Augen wie ein Weinkenner, der die Aromen eines alten Bordeaux zu bestimmen versuchte. Quietschend folgte sie mir auf Schritt und Tritt durch die Küche. Das war nicht das Miauen einer Katze, die bettelte, sondern die Forderung einer Priesterin, die ungeduldig darauf wartete, dass man ihr endlich die Opfergabe vor die Füße legte.
Ich nahm sie hoch, drückte sie an meine Brust und setzte mich auf einen Küchenstuhl. Gierig streckte sie sich nach dem Hühnchen, bis sie meine teure Kaschmirjacke entdeckte. Schlichte Schafwolle interessierte eine Katze wie Cleo nicht. Fasern dagegen, die heimischen Ziegen abgeschoren und dann mühselig gekämmt wurden, waren etwas anderes. Sie kaute an der Wolle um den mittleren Knopf herum.
Ich machte sie von meiner Jacke los und setzte sie entschlossen auf den Boden. Cleo sprang zurück auf meinen Schoß. Wie ein hungriger Löwe bohrte sie ihre Zähne in meine Jacke. Ich packte sie erneut, um sie von meinem Schoß zu werfen, als mich ein plötzlicher Schmerz durchzuckte. Sie hatte ihre Fangzähne in meinen Daumen versenkt. Sie hatte nicht nur meine Jacke ruiniert, sondern auch noch ein Loch in mich gebohrt.
Laut schimpfend stillte ich das Blut mit einem Küchentuch. Steve beeindruckte meine Wunde überhaupt nicht: Cleo tat nur, was er von einem Kätzchen erwartete.
Beim Essen wurde die Falte zwischen Steves Augenbrauen immer steiler, als Cleo ihre fehlende Bereitschaft demonstrierte, die Worte »Spring nicht auf den Tisch!« zu verstehen. Sie machte sich über sämtliche Teller her, von Platzsets, Salz- und Pfefferstreuern und Besteck gar nicht zu reden.
Meine Nackenmuskeln spannten sich an, mein Daumen pochte. Die Anstrengung, einem widerwilligen Ehemann ein Kätzchen schmackhaft zu machen, war nicht gering. Ich schnappte Cleo und sperrte sie in der Waschküche ein.
»Sie ist da nicht gerne drin«, heulte Rob.
»Sie macht uns das Leben zur Hölle!«, erwiderte ich brüllend, um das laute
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