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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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Wenn wir sie nur lang genug an den Wänden hängen ließen, würdedas psychedelische schwarze Blumenmuster auf weißem Grund wahrscheinlich wieder Mode werden. Selbst der Teppich nervte mich nicht mehr. Die Schwangerschaftseuphorie sorgte dafür, dass alles warten konnte.
    Steve reagierte vollkommen anders. In jedem Zimmer stank es nach frischer Farbe. Überall im Haus stolperte man über Leitern, die wie Betrunkene an der Wand lehnten. In einem Anfall von Arbeitseifer schloss er die Renovierung des Badezimmers ab. Er riss die fleckige blaue Badewanne mit den geschmacklosen goldfarbenen Armaturen heraus und stellte sie auf dem Rasen in unserem Vorgarten ab. Ich war so hormonüberflutet, dass ich mich nicht einmal darüber zu ärgern begann, als das Gras um sie herum in die Höhe schoss.
    Als ich Ginny einmal fragte, ob sie glaube, dass er die Wanne irgendwann entsorgen würde, meinte sie, wir könnten doch einen Seerosenteich mit Goldfischen daraus machen. Was für eine wunderbare Frau!
    Cleo und ich fanden Gefallen an Mozart, und das nicht nur weil Embryos angeblich durch die Bauchdecke hören können und klassische Musik das Wachstum ihrer Gehirnzellen fördert. Cleo schien die besänftigende Musik des Komponisten wirklich zu mögen, insbesondere den zweiten Satz des Klarinettenkonzerts in A-Dur. Wenn der Klarinettist die Luft in flüssiges Gold verwandelte, zog Cleo ihre Augen zu silbrigen Schlitzen zusammen. Buntes Sonnenlicht tanzte über ihr Fell. Sie hatte es sich an meinem Bauch bequem gemacht und schnurrte zur Begleitung von Mozarts Musik, die den Schmerz menschlichen Lebens in einem einzigen ganz besonderen Akkord auflöste. Als ich dieses Musikstück hörte, war ich überzeugt, dass selbst die tiefste Traurigkeit in Schönheit verwandelt werden kann.

 
    16
    E rsatz
    Eine Katze hört sich jede Geschichte genau an,
    egal, ob sie sie schon kennt oder nicht.
     
    Jede Zelle in meinem Körper rief: »Es ist ein Junge!« Die Art, wie er mir in die Rippen trat, hatte etwas eindeutig Männliches. Die winzigen Fäuste, die mitten in der Nacht meine Blase als Sandsack verwendeten, hatten die Unerbittlichkeit eines Miniatur-Boxchampions. »Ein Junge, ein Junge«, pochte es zwischen meinen Ohren, wenn ich das dritte Mal in drei Stunden durch den dunklen Flur zum Bad wankte.
    Ich nähte ein winziges Babyhemd und bestickte den Halsausschnitt mit blauen Gänseblümchen. Wir redeten über Namen. Joshua vielleicht. Sicher nicht Samuel, wenn, dann höchstens als zweiten Namen.
    Jedem, der es hören wollte, erklärte ich, dass das neue Baby kein Ersatz für Sam war. Es würde eine eigene Persönlichkeit besitzen und nur ein wenig von seinem spitzbübischen Humor haben und seine Augen vielleicht und den Grasgeruch seiner Haut. Natürlich würde er nicht Sam sein. Ich würde die Individualität des Babys achten. Aber egal wie sehr das Baby Sam ähneln oder sich von ihm unterscheiden würde, mit ihm wären wir jedenfalls wieder eine vierköpfige Familie. Ich würde Joshua Samuel alles über den Bruder erzählen, den er niemals kennenlernen würde. Ein gewisses Gleichmaß würde wieder in unser Leben einkehren.
    Steve gestattete sich jetzt öfter ein Lächeln. Wenn man bedachte, dass wir all das einem Chirurgen mit einem Mikroskop und geschickten Fingern verdankten! Die beiden anderen Kinder hatten anfangs in einer gebrauchten Wiege geschlafen, die Steve über eine Kleinanzeige in der Lokalzeitung organisiert hatte. Da er sicher war, dass es keine weiteren Babys geben würde, hatte er sie entsorgt, als Rob in ein Kinderbett umzog.
    Dieses Mal zog er los und kaufte eine funkelnagelneue Wiege, die praktischerweise mit einem geschlechtsneutralen gelben Satinband geschmückt war. Er holte sie aus ihrer glänzenden Verpackung und stellte sie in unser Schlafzimmer. Die Wiege mit dem über die Seiten fallenden Himmel schien auf einen Prinzen nur zu warten. Ich strich das geschirrtuchgroße Laken über der Matratze glatt.
    Während ich meine Hand über das Satinband gleiten ließ, fragte ich mich, wie es eigentlich sein mochte, ein Mädchen großzuziehen. Der ganze Tüll und die Barbie-Puppen waren vermutlich kompliziert. Wie Jungen funktionierten, wusste ich. Man brauchte in erster Linie viel Kraft – vor allem fürs Herumrennen und fürs Brüllen. Jungen sind direkt, eindeutig, was ihre Gefühle betrifft. Sie haben zu ihren Müttern eine spezielle Bindung. Sam und ich hatten oft ein Kussspiel gespielt, eine Art Fangen. Gewonnen

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