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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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michhinter einem neuen Namen verstecken? Als ich Rob einmal abends von den Seepfadfindern abholte, überfuhr ich eine Katze. Es ging alles ganz schnell. Ein weißer Blitz, dann ein dumpfer Schlag und ein Knirschen, als der Reifen die Knochen zermalmte. Ich hätte nicht mehr rechtzeitig abbremsen können. Der Frau musste es genauso gegangen sein. Entsetzt und voller Schuldgefühle hielt ich an. Das Tier lag leblos da. Ich fühlte mich schon schrecklich, weil ich eine Katze überfahren hatte. Wie musste es da erst sein, wenn man ein Kind getötet hatte?
    Manchmal hatte ich Angst, es könnte mein Schicksal sein, wie eine Katzenmutter meine Kinder auf die eine oder andere Weise zu verlieren. Selbstmitleid hatte ich noch nie gemocht. Es war würdelos und ermüdend. Ich begann Wege zu suchen, mich davon zu befreien. Einer davon war, die Einladung, trauernde Eltern zu treffen, anzunehmen, und Leute zu interviewen, die einen Verlust erlitten hatten. Ihr traumatisches Erlebnis lag oft noch kürzer zurück und war noch unmittelbarer als meines. In den seltenen Fällen, in denen ich jemandem etwas Beruhigung vermitteln konnte, trat an die Stelle meines Schmerzes das Gefühl, irgendetwas Hilfreiches zu tun. Ich hatte in den letzten fünf Jahren viel über menschliches Leid gelernt. Obwohl jeder Schmerz anders ist, versteht niemand die Leidenden so wie jemand, der ihn selbst erlebt hat.
     
    Auf dem Tisch der Therapeutin stand eine Schachtel Kleenex. Tränen gehörten zum Geschäft. Ich war entschlossen, die Stunde trockenen Auges hinter mich zu bringen; sie sollte bloß nicht glauben, auch ich sei eine von diesen Heulsusen.
    »Was Sie brauchen«, sagte sie, schlug die Beine übereinanderund sah mich durch ihre lachsfarbenen Brillengläser an, »ist ein Neuanfang, etwas, das Ihr Selbstbewusstsein stärkt.«
    Aber auch wenn ich mir das Weinen verkniff, meinte mein Körper, irgendwelche Flüssigkeiten absondern zu müssen, und meine Nase fing an zu laufen. Sehnsüchtig sah ich zu der Kleenex-Schlachtel, aber mir eines zu nehmen, wäre dem Eingeständnis einer Niederlage gleichgekommen. Mir blieb also nur, in regelmäßigen Abständen laut die Nase hochzuziehen.
    »Wissen Sie, was Ihnen wirklich guttäte?«, fragte sie und lehnte sich auf ihrem Sessel zurück, der mit Bedacht unter einem Rothko-Druck in zarten Rosa- und Gelbtönen platziert war. Vermutlich sollten die sanften Farben ängstliche Patienten beruhigen. Das konnte möglicherweise auch klappen – bei Patienten, die nicht wussten, dass der arme Rothko irgendwann den Kampf gegen seine Depression aufgegeben und sich umgebracht hatte. »Ein One-Night-Stand.«
    Ihre Worte schossen durchs Zimmer und schlugen mit voller Wucht in meinem Kopf ein. Mum hatte (vermutlich aufgrund verschiedener eigener sexueller Probleme, auf die hier nicht näher eingegangen werden muss) mir von klein auf beigebracht, meinen Körper als einen Tempel zu betrachten, den ich in meinem Leben am besten nur einem einzigen Gläubigen öffnen sollte.
    »Ich soll mir also einen Mann suchen, mit dem ich nichts gemeinsam habe, den ich aber halbwegs anziehend finde und mit dem ich einfach nur so ins Bett gehe?«
    Sie nickte. Die Frau musste verrückt sein. Sie wollte, dass ich vor Schuldgefühlen umkam.
    »Das wäre ein guter Anfang für den neuen Lebensabschnitt«, sagte sie.
    »Und was ist mit den Kindern?«, fragte ich.
    »Die müssen das doch gar nicht erfahren«, sagte sie. »Es hat ja auch nichts mit ihnen zu tun. Planen Sie die Sache doch für eines der Wochenenden, an denen Ihr Exmann sich um sie kümmert.«
    Planen? Die Leute planten One-Night-Stands? Sie forderte mich auf, eine Liste potenzieller Opfer zu schreiben. Die einzigen Männer, die mir einfielen, waren irgendwelche Kollegen. Männliche Journalisten sind allerdings unglaublich indiskret und ich hatte keine Lust, den Frauen zugeordnet zu werden, die »es mit jedem machen«. Eine Freundin würde ich auch nicht hintergehen, es hatte mir schon gereicht, als die Ehemänner einiger meiner Freundinnen vor meiner Haustür aufgetaucht waren und mir ihre Dienste angeboten hatten. Wo also sollte ich einen Mann hernehmen?
    »Viel Glück«, sagte die Therapeutin und lächelte, als ich mit zittriger Hand meine Unterschrift unter den Scheck setzte. »Und vergessen Sie nicht: immer offen sein.«
     
    Einige Wochen darauf ergab sich eine Gelegenheit, ihren Ratschlag zu befolgen. Eine alte Freundin arrangierte für mich ein Treffen mit einem kürzlich

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