Cleo
geschiedenen Geschäftsmann namens Nigel, den ich zu einem Fundraising-Abendessen begleiten sollte. Ich hatte in unserem Wirtschaftsteil von Nigels Aktivitäten gelesen. Er war das Unternehmeräquivalent zu einem Riesen mit Essstörung und verleibte sich eine kleine Firma nach der anderen ein.
Ich kannte zwar Leute seines Schlags nicht, hatte aber den Verdacht, dass er ein Langweiler war, der nur über Geld sprach. Da ich jedoch eine erfahrene Interviewerin war, sagte ich mir, dass ich selbst an einer Kellerassel eine interessante Seite entdecken konnte, wenn es darauf ankam. Laut Aussagemeiner Freundin erfüllte Nigel alle Kriterien. Ich war mir nicht ganz sicher, was sie damit meinte. Mein letztes Date war Jahre her. Bestimmt hatten sich inzwischen die Regeln geändert. Genauer gesagt, hatte es früher eigentlich nur eine Regel gegeben: Bis zum Letzten darfst du nur gehen, wenn er wenigstens angedeutet hat, dass er dich heiraten will. In der Zeit, die ich in einem Vorort vergraben verbracht hatte, hatten sich Dates jedoch nach allem, was ich darüber gehört hatte, offenbar zu einer Mischung aus Supermarkteinkauf und Tierzüchtertreffen verwandelt.
An dem Abend, an dem Nigel mich abholen wollte, zitterten mir vor Nervosität die Hände. Cleo sah mir schon immer gerne bei meinen unbeholfenen Schminkversuchen zu. Sobald ich die Schublade des Schminktischs im Badezimmer öffnete, sprang sie hinein – das war einer von Cleos Lieblingsplätzen im Haus. Ihre Leidenschaft für Make-up musste Teil ihres ägyptischen Erbes sein. Wenn man ihr auch nur die geringste Chance dazu ließ, klaute sie den Puderpinsel, flitzte damit unter mein Bett und riss ihm jedes Zobelhaar einzeln aus. Auch heute machte Cleo einen Satz in die Schublade und klopfte mit der Pfote auf den glänzenden Lidschatten-Döschen herum. An diesem Abend gefiel ihr offenbar Violett am besten. In Ermangelung einer anderen Farbberaterin folgte ich ihrem Ratschlag. Sie miaute aufmunternd, als ich meine Lider großzügig damit anmalte. Das Ergebnis sah zwar eher nach einer unglücklichen Begegnung mit Muhammad Ali als nach einer Cocktailstunde aus, aber die Zeit wurde langsam knapp. Cleo spielte gelangweilt mit meinem Lippenstift, ein knalliges Rot, bis ich ihn ihren Pfoten entwand.
»Was meinst du?«, fragte ich, nachdem ich mir damit über die Lippen gefahren war.
Cleo saß auf den Hinterbeinen, die Vorderpfoten so grazil gekreuzt wie die Beine einer Balletttänzerin, legte den Kopf schief und zwinkerte. Es gefiel ihr. Ich bezweifelte allerdings, dass meine Beine mich so lange tragen würden, dass die Angelegenheit als »One-Night-Stand« durchging, falls es denn überhaupt dazu kommen sollte.
Cleo, die meine Nervosität spürte, übernahm die Rolle der Gastgeberin und stolzierte mit graziös erhobenem Schwanz auf Nigel zu. Er war außergewöhnlich groß und trug einen majestätischen blonden Schnauzbart im Gesicht. Ich war mir nicht ganz sicher, ob eine Gesichtsbehaarung zu meinem One-Night-Stand-Szenario passte, aber in meinem Kopf hallte die Stimme meiner Therapeutin wider: »Offen sein!«
»Eine Katze!« Nigels Augenbrauen schossen in die Höhe wie die Kurve auf einem Börsenkursdiagramm. »Ich bin allergisch, wissen Sie.«
»Oh«, sagte ich und setzte sie auf den Boden, »das tut mir leid.«
Völlig unbeeindruckt von Nigels Reaktion stellte sich Cleo auf die Zehenspitzen und machte einen zierlichen Katzenbuckel. Sie bog ihren Schwanz zu einem eleganten Schnörkel und ging Nigel voraus ins Wohnzimmer. Cleo war wirklich die perfekte Gastgeberin. Der Rücken von Nigels Jackett war beängstigend faltenfrei.
Ich führte ihn zu dem intaktesten Polster auf dem Sofa und fragte ihn, ob er etwas trinken wolle.
»Einen Chardonnay, wenn Sie haben«, sagte er und ließ sich auf der Sofalehne nieder. Ich konnte es dem armen Mann nicht verdenken, dass er seinen Armani-Stoff vor unseren Krümeln und Colaflecken schützen wollte.
Unser Kühlschrank bot alles von Milch bis zu verschiedenenFruchtsäften, nur Chardonnay war leider nicht dabei. Am nächsten kam dem wohl ein Weißwein aus einem angebrochenen Tetrapack. Ich schraubte den Plastikverschluss ab und hoffte, dass Nigel den Unterschied nicht bemerken würde.
Unruhig schlug er abwechselnd seine langen Spinnenbeine übereinander. Cleo ließ sich ein paar Zentimeter von seinen Füßen entfernt nieder und richtete ihre Augen wie zwei Verhörlampen auf ihn.
»Das Problem mit Katzen ist«, erklärte er, als
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