Cleo
heraus auf seinen Schoß. Sein Weinglas flog im hohen Bogen durch die Luft. Nigel gab ein Grunzen von sich, das aus dem Innersten seines Urzeit-Ichs zu kommen schien. Entsetzt hechtete ich nach dem Glas,aber es passierte alles viel zu schnell. Meine Hand griff an dem Glas vorbei und eine Weinfontäne ging auf uns nieder.
Nigel sprang auf und wischte sich hektisch die Hose ab. Ich holte rasch Küchenpapier aus der Küche und tupfte an seinen Knien herum, während er sich den intimeren Bereichen widmete.
»Es tut mir ja so leid!«, rief ich.
»Macht nichts«, murmelte er, ließ sich wieder auf das Sofa sinken und schlug die Beine übereinander. Bevor ich sie aufhalten konnte, kletterte Cleo auf seine Schulter und wickelte sich um seinen Hals.
»Sie scheint Sie wirklich zu mögen«, sagte ich. »Oh, ich habe Ihre Allergie vergessen. Einen Moment. Ich nehme sie.«
»Kein Problem«, stotterte Nigel, befreite seinen Hals von Cleo und setzte sie sich auf die Knie, was nicht sehr bequem aussah. »Es macht mir nichts aus. Vielleicht riecht sie ja Rex. Das ist mein Dobermann. Ein sehr athletischer, unkomplizierter Hund.«
»Ja«, sagte ich und fragte mich, ob wir es jemals zu etwas bringen würden, das einem Gespräch ähnelte. »Hunde sind so … unkompliziert.«
»Was das angeht, ähneln Hunde Männern«, erwiderte Nigel. »Während Katzen mehr wie Frauen sind, finden Sie nicht? Darüber sollte man mal ein Buch schreiben.«
Nigels Gesicht nahm plötzlich einen Bordeaux-Ton an. Cleo hüpfte auf den Boden und verschwand im Flur, während sich Nigels Augen zur Decke rollten. Einen schrecklichen Moment lang dachte ich, er hätte einen allergischen Schock.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
Er hob die Hände, den Mund vor Ekel verzogen. »IhreKatze«, flüsterte er, »hat … mich … gerade … angepinkelt.« Nigel bestand darauf, in seine Wohnung zu fahren, um sich umzuziehen. Während er weg war, suchte ich Cleos Lieblingsverstecke unter dem Bett und in der Garderobe ab, aber sie war verschwunden.
Später entdeckte ich die Silhouette einer Katze auf dem Dach. Ihre Augen leuchteten auf mich herunter. Selbst aus der Entfernung meinte ich eine gewisse Zufriedenheit darin zu erkennen.
Wenn er sonst schon zu nichts nutze gewesen war, hätte ich wenigstens Mum von dem fehlgeschlagenen One-Night-Stand-Plan erzählen können, als sie anrief. Doch sie klang abwesend. Ihre Spaziergänge mit Rata wurden langsam anstrengend. Als sie an diesem Wochenende über einen Hügel zum Strand gelaufen waren, kam Rata hinterher den Hang nicht mehr hoch. Mum sagte, sie hätte sie hinauftragen müssen. Rata war nicht gerade klein. Es war mir ein Rätsel, wie Mum das geschafft hatte. Der Tierarzt hatte ein Lungenemphysem diagnostiziert.
Montagmorgen bat mich Nicole aus der Redaktion um einen Gefallen. Ihr Mitbewohner wollte in ein paar Wochen heiraten. Er und seine Braut stammten aus den Vereinigten Staaten und kannten nicht genug Leute für eine richtige Hochzeitsfeier.
»Wärst du so nett zu kommen?«, fragte sie mich, »Du musst auch nicht länger als eine Stunde bleiben. Es geht nur darum, dass der Raum etwas voller wirkt.«
Ihre Zuversicht, dass meine Gegenwart einen leeren Raum voll wirken lassen könnte, war nicht gerade schmeichelhaft. Die Vorstellung, eine Ein-Frau-Mietmenge zu geben, begeisterte mich zwar nicht, aber wir wussten beide,dass ich an den Freitagabenden, wenn die Kinder bei ihrem Vater waren, nichts anderes vorhatte als vielleicht die Legosteine zurück in ihre Schachteln zu schaufeln.
»Bitte!«
Das Paar wollte bei Sonnenuntergang auf den Stufen des Stadtmuseums heiraten. Die Sonne machte den Eindruck, als litte sie unter Bindungsangst, wie sie da einsam am Horizont hing, als ich mein Auto abschloss und den Hügel zum Museum erklomm. Als ich nach oben sah, fiel mein Blick auf das Brautpaar. Sie sah aus wie Barbie. Er sah aus wie Ken. Dann wanderten meine Augen weiter zu einem der Trauzeugen. Ein umwerfend gut aussehender Mann. Nicht bloß ein hübscher Kerl wie aus der Rasierwasser-Werbung, sondern wirklich atemberaubend wie ein griechischer Gott. Oder ein Schwuler.
Natürlich schwul, dachte ich und bewunderte die blonde Locke über der hohen, gebräunten Stirn und die breiten Schultern, die durch den gut geschnittenen Anzug noch hervorgehoben wurden. Oder verheiratet. Und wenn das nicht, dann zumindest in festen Händen.
Es wäre übertrieben zu behaupten, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Lust auf
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