Cleopatra
nicht.«
»Hast du gesehen, wo sie hingefahren sind? Es war doch alles zugeparkt?«
Verheul zog seine Stirn in Falten. »Nein, zu der Zeit nicht mehr. Einige Leute waren schon wieder gegangen, die von der französischen Botschaft und noch ein paar andere; sie waren wohl nur kurz zum Händeschütteln gekommen.«
»Du hast also nicht gesehen, wo sie den Wagen parkten?«
»Nein, ich stand wieder in meinem Zelt und ich habe wohl auch nicht so darauf geachtet.«
»Hast du sie auch wieder hinausfahren sehen?«, fragte ich.
Er schaute mich eine Weile schweigend an. »Das Problem ist, dass das überhaupt nichts zu sagen hat«, antwortete er dann. »Ich habe sie nicht wegfahren sehen, weil ich nicht darauf geachtet habe. Wir achten mehr auf Leute, die kommen, als auf Leute, die gehen. Zwischen sechs und sieben sind die Gäste in Scharen aufgebrochen, das Tor stand offen, die Arbeit war erledigt. Ich kann dir da absolut nicht helfen.«
Ich zog das Foto aus Meulendijks Akte hervor. »Ist das Frau Boerman?«
Er nahm mir das Foto aus der Hand und starrte es einige Zeit an. »Na ja, sie hatte diesen Voile vor dem Gesicht und ich habe sie nur kurz im Profil gesehen. Könnte sein.« Er gab mir das Foto zurück. »Von vorne sieht sie nicht aus wie Lettie. Aber die würde ich wahrscheinlich auch nicht mehr erkennen, falls sie mir auf der Straße begegnete, selbst wenn sie noch achtzehn wäre wie damals.«
CyberNel lag auf dem Balkon und schlief. Im späten Nachmittagslicht sah sie geheimnisvoll und zugleich zerbrechlich aus, sie lag mit angezogenen Knien in meinem Liegestuhl, die Katzenaugen geschlossen, die Krallen eingezogen. Ich rüttelte sie vorsichtig an der Schulter.
Sie blinzelte mit den Augen. »Sehe ich da etwa ein zufriedenes Gesicht?«
»Rinus Verheul war eine Goldmine. Besser gesagt: sein Gedächtnis.«
»Wir gehen also nicht zu McDonald’s?«
»Du hast etwas Besseres verdient.«
Jetzt war sie hellwach. »Das Fischrestaurant in der Utrechtsestraat.«
Ich grinste. »Gerade habe ich noch gedacht, dass du in deinem früheren Leben eine Katze gewesen sein musst.«
Nel erhob sich aus dem Stuhl. »Ich reserviere uns einen Tisch, wenn du mir in der Zeit eine Cola mit jungem Genever einschenkst.«
Ich verzog das Gesicht. »Ist das dein Ernst?«
Sie zog die Augenbrauen hoch und ging in mein Büro. Ich hatte keinen jungen Genever, fand aber eine Flasche mit einem Rest Rum. Damit gab sie sich auch zufrieden.
»Du hast also alles herausgefunden?«, fragte sie, als wir einander gegenüber auf dem Balkon saßen.
»Nein, aber wir können davon ausgehen, dass Cleopatra tatsächlich das Fest für ihre Überraschung ausgewählt hat.« Ich erzählte ihr, was ich bei Verheul in Erfahrung gebracht hatte. »Sie hat keine Einladung, also meldet Rinus über Funk an Dusenberg, dass eine Frau Boerman am Tor wartet. Ab hier müssen wir raten. Dusenberg will den Minister nicht belästigen, also geht er zu Scholte. Der riecht sofort Lunte, als er den Namen Boerman hört. Er eilt zum Tor und steigt zu Cleo ins Auto. Von dem Moment an, wo sie von Rinus wegfahren, müssen wir wieder spekulieren.«
Nel zog die Stirn in Falten. »Es muss zwischen dem Eingangstor und der Haustür passiert sein«, sagte sie. »Scholte war ein alter Freund und vielleicht gab es für Cleo keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen. Sie halten auf dem Seitenstreifen der Auffahrt. Der Torwächter ist wieder in seinem Schutzzelt verschwunden. Scholte schafft es, sie dazu zu überreden, dass sie zuerst mit Cleveringa spricht.«
»Und dadurch ihren großen Auftritt verdirbt?«, fragte ich. »Damit wäre sie nie einverstanden gewesen.«
»Vielleicht benutzte er Lonneke als Argument. Dieser Schock für ihre Tochter. Wie dem auch sei: Irgendwie kriegt er sie aus dem Auto und ins Festzelt.«
»Warum in das Zelt?«, fragte ich.
»Fällt dir ein geeigneterer Ort ein? Er musste aus dem Auto heraus; es hätten Leute vorbeikommen können. Außerdem sind mir kalte Schauer den Rücken heruntergelaufen, als ich dieses Zelt gesehen habe.«
»Okay«, sagte ich. »Du glaubst also, er lockt Cleo ins Zelt und sagt dann: Warte hier, ich gehe Josef holen. Warum sollte Cleo brav dort warten? Scholte geht dieses Risiko nicht ein. Jeden Moment kann ein Zeuge auftauchen. Scholte ist das Gehirn. Für ihn steht genauso viel auf dem Spiel wie für Cleveringa.«
»Moment mal«, sagte Nel. »Du willst Scholte. Warum?«
Ich seufzte. »Ich weiß es nicht. Das Ganze ist doch bisher reine
Weitere Kostenlose Bücher