Cleopatra
wie der Blitz bei den Thailändern einen kurzfristigen Kredit auf und kaufst dafür zum Beispiel D-Mark. Sobald der Baht gefallen ist, bezahlst du den Kredit zurück und steckst dir die zehn Prozent Gewinn in die Tasche. Das macht bei einer Million glatte hunderttausend. Wenn sie mit BB und über die Tochtergesellschaften auf geschickte Weise zehn Millionen hier und fünf Millionen dort investiert haben, kommt man schon auf ein hübsches Sümmchen.«
»Die Frage ist, ob sich beweisen lässt, dass das, was sie taten, illegal war oder einfach nur gewöhnliche Spekulation.«
»Wenn Cleo diese Liste der Justiz übergeben hätte, säßen Scholte und Cleveringa inzwischen im Gefängnis. Bei den Namen handelt es sich um die Tippgeber, verteilt über die halbe Welt. Alle sind Funktionäre in Finanzministerien oder bei Nationalbanken, also die Leute, die als Erste wissen, was mit ihrer Währung geschehen wird, ob die Staatsbank die Zinsen erhöht oder eine Abwertung bevorsteht. Jeder, der diese Liste sieht, ahnt sofort, was dahinter steckt, und es brauchte nur einer von ihnen ein Geständnis abzulegen. Cleveringa hat diese Leute wahrscheinlich während seiner Zeit als Minister angeworben oder vielleicht sogar schon, als er noch im Auslandsausschuss saß und in der Weltgeschichte herumreiste. Sie erhielten natürlich eine fette Beteiligung.«
Das klang plausibler als Waffenhandel oder Drogen. Man würde eher dazu neigen, einen Wirtschafts- und Finanzminister solcher Machenschaften zu verdächtigen, aber der Außenminister war dafür natürlich in einer ebenso günstigen Position. Er war der Mann des Auslands und fiel außerdem weniger auf.
Wir fanden Milsbeek an der alten Provinzstraße von Nijmegen nach Venlo – ein grünes Dorf mit freundlichen Straßen, die Häuser aus Backsteinen der umliegenden Ziegelbrennereien gebaut. Die kleine Dorfpost lag auf der Ecke einer dieser Straßen. Daneben befanden sich ein paar Geschäfte. Es waren mehr Fahrräder als Autos unterwegs und es gab hier kein Parkplatzproblem.
Eine etwa fünfzigjährige Dame in einem beigefarbenen Wollkleid saß am kleinen Schalter. Sie war in ein Gespräch mit einer jüngeren Dorfbewohnerin vertieft, die ihrem Kleinkind in einem Buggy einige der Prospekte, die in der Post auslagen, zum Spielen gab, um es zu beschäftigen. CyberNel schlenderte zur Wand neben dem Schalter und begann, das Rechteck mit den Postfächern zu studieren, während ich mich höflich hinter der Frau anstellte und ihrem kleinen Sohn zugrinste, der gerade in einen Prospekt über Safer Sex hineinbiss. Die Frau sah mein Grinsen, riss ihrem Kleinen den Prospekt aus dem Mund und murmelte, dass sie jetzt aber wirklich los müsse.
»Grüße an Jan Peter«, rief die Postangestellte ihr nach und rückte ihre Brille zurecht, um mich besser sehen zu können. »Bitte schön.«
Ich wartete, bis Nel den Buggy vorbeigelassen und die Tür hinter der jungen Frau geschlossen hatte. »Ich bin auf der Suche nach einer Dame, die hier 1983 ein Postfach gemietet hat. Ist das noch nachzuvollziehen? Wir versuchen, sie ausfindig zu machen.«
Sie schaute mich befremdet an und ich reichte ihr meine Meulendijkkarte.
»Ihr Name ist Clara Boerman. Sie ist damals verschwunden; ich arbeite für ihre Tochter.«
Die Frau schaute CyberNel an. »Sind Sie ihre Tochter?«
Nel zögerte keine Sekunde. »Nein«, sagte sie. »Ich bin für den Staatsanwalt tätig.«
»Es ist allerdings lange her.«
»Das sagte der Staatsanwalt auch«, antwortete Nel niedergeschlagen. »Er hat gesagt, es sei ein Wunder, wenn man das in einem Dorf wie Milsbeek noch überprüfen könne.«
Sie trug dick auf mit dem Staatsanwalt. Aber die Leute möchten immer gern beweisen, dass sie besser sind, als die Großkopferten von ihnen denken.
»Dann vergisst er unsere alten Verzeichnisse«, sagte die Dame gereizt. »In Milsbeek wird nichts weggeworfen.« Sie stand rasch auf und verschwand in einem kleinen Flur.
Ich lächelte Nel zu.
Die Postdame kam mit einem ramponierten Register zurück. Sie blätterte es durch. »1983«, murmelte sie. Sie fand, was sie suchte, und kontrollierte die Seite davor. »Nummer zwölf. Von Januar an mit monatlicher Kündigungsfrist gemietet, Frau C. Boerman. Bis Ende Juli. Nein, warten Sie, es wurde von Juni an nicht mehr benutzt, aber wir haben es bis August für sie weitergeführt. Es machte uns nichts aus; unsere Postfächer werden nur selten gemietet.«
Ich hatte mein Notizbuch gezückt und fragte wie nebenbei:
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