Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
»Sie hat sich natürlich ausgewiesen?«
    »Ja.« Sie schaute ins Register. »Hier steht ihre Passnummer. Eine Adresse in Frankreich.«
    Ich runzelte die Stirn. »Wollte sie, dass ihre Post dorthin weitergeleitet wurde?«
    »Nein, natürlich nicht.« Die Dame warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Postfächer dürfen nur von den Mietern persönlich geleert werden, auch hier in Milsbeek.« Sie schaute wieder in das Buch und sagte: »Sie wohnte im Hotel de Piasmolen, das ist hier ganz in der Nähe.«
    »Fantastisch«, sagte Nel. »Könnte es sein, dass nach Mitte Juni noch Post für sie kam, die nicht mehr abgeholt wurde?«
    »Das weiß ich wirklich nicht mehr. Ich weiß nur, dass wir das Postfach im August wieder freigegeben haben, denn das steht hier.«
    »Wird die Post an den Absender zurückgeschickt, wenn niemand mehr kommt, um das Fach zu leeren?«
    »Wenn ein Absender draufsteht. Ansonsten heben wir sie noch eine Weile auf und vernichten sie dann. Wir öffnen sie garantiert nicht.«
    »Selbstverständlich nicht«, sagte ich lächelnd.
    Das Hotel de Piasmolen erwies sich als großes, flaches Gebäude mit breiten Seitenflügeln und weitläufigen Terrassen. Es lag hundert Meter von der Straße entfernt hinter einem von Rasenflächen umringten Weiher, in dem sich eine kleine Insel mit einer Trauerweide befand. Ein einsamer Schwan schwamm um die Insel herum.
    Der Besitzer erinnerte sich sofort an Clara Boerman. »Sie hat hier drei Monate lang gewohnt«, sagte er. Er runzelte die Stirn. »Sind Sie Verwandte von ihr?«
    Ein echter, ein lebendiger Zeuge! Ich fuhr mit der Hand in meine Innentasche. »Frau Boerman ist im Juni desselben Jahres verschwunden und ihre Tochter versucht herauszufinden, was mit ihr geschehen ist.«
    Er ignorierte meinen Ausweis und fragte besorgt: »Ist sie denn nicht nach Frankreich zurückgekehrt?«
    »Nein.«
    »Oh.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nie mehr von ihr gehört. Sie war eine nette Frau. Ich habe mich oft mit ihr unterhalten. Sie bewohnte eines der schönen Zimmer auf der Rückseite. Ich glaube, sie hatte im Leben viel durchgemacht. Sie tat mir ein bisschen Leid.«
    »Können Sie sich noch gut an sie erinnern?«
    »Ja, natürlich. Es war das einzige Mal in meiner ganzen Laufbahn als Hotelbesitzer, dass hier jemand drei Monate lang wohnte und dann ganz plötzlich verschwand.«
    »Hat sie über ihre Probleme gesprochen?«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Sie war sehr angespannt. Sie sagte, sie wolle hier ein bisschen zur Ruhe kommen. Ich glaube, dass sie Schwierigkeiten mit ihrem Mann hatte. Wir haben hier gut für sie gesorgt. Sie wollte inkognito bleiben. Was ist mit ihr geschehen?«
    »Das wissen wir noch nicht«, sagte ich. »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Ich kann mich nicht an das genaue Datum erinnern, aber es war Mitte Juni.«
    »Hat sie Gepäck zurückgelassen?«
    »Ja. Wir haben ihren Koffer nach Frankreich geschickt. Das war die einzige Adresse, die wir von ihr hatten, in La-Grande-Motte.« Er zögerte. »Sie blieb öfter einmal ein paar Tage weg, aber diesmal kam sie nicht wieder und ich war ein wenig beunruhigt, weil sie mich um diese Sache mit dem Brief gebeten hatte.«
    Ich schaute Nel an. Ungerührt erwiderte sie meinen Blick. Sie hatte es nicht nötig, Salz in die Wunde zu streuen.
    »Sollten Sie diesen Brief abschicken?«, fragte ich.
    »Ja, ich kann mich deswegen noch so gut an alles erinnern, weil sie mich am Abend, bevor sie wegfuhr, darum gebeten hat.« Er seufzte und schaute mich an. »Man denkt sich: So ein Brief, der ist doch für den Fall gedacht, dass einem etwas zustößt, aber warum hätte sie vor irgendetwas Angst haben sollen? Sie sagten, sie sei verschwunden … Aber dieser Brief muss doch angekommen sein? Stand denn da nicht alles drin?«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Was war es denn für ein Brief?«
    »Es war ein dicker Umschlag. Ich sollte ihn für sie aufbewahren; sie wollte ihn Ende der Woche wieder abholen. Falls sie nicht zurückkäme, sollte ich ihn per Einschreiben abschicken. Das habe ich dann getan.«
    »Auch nach La-Grande-Motte?«
    »Nein, nach Amsterdam. Ich weiß es nicht mehr so genau, aber er war an einen Staatsanwalt adressiert. Ich habe noch einen Witz darüber gemacht, sie würde doch wohl nicht ins Gefängnis kommen?« Er schwieg für einen Moment, als er daran zurückdachte. »Das habe ich natürlich keine Sekunde lang ernsthaft geglaubt«, sagte er dann. »Sie war nervös, aber sie war eine vornehme

Weitere Kostenlose Bücher