Cleopatra
eine Tür und öffnete. »Herr Winter ist da.«
»Ist gut.«
»Möchten Sie Kaffee?«
»Ja, gern. Mit Milch, ohne Zucker.«
Sie nickte und verschwand. Ihr Chef begrüßte mich mit ausgestreckter Hand. »Barend Scholte. Kommen Sie herein. Der Minister ist noch nicht da.«
Scholte war ein agiler älterer Herr von etwa fünfundsechzig Jahren, muskulös, mit kantigem Gesicht, blauen Augen und graublondem, kurz geschnittenem Haar. Er machte einen sehr männlichen, nach meinem Geschmack übertrieben vitalen Eindruck. In seinem violetten Sportblazer, fuchsiaroten Hemd und lavendelblauem Seidenschal im offenen Hemdausschnitt hätte er gut auf eine Yacht nach Nizza mit einem Klon von Mae West auf dem Vorderdeck gepasst.
»Haben Sie geschäftlich mit dem Minister zu tun?«
Ich sah, wie seine Augen sich ganz kurz verengten, bevor er lächelte. »Josef und ich sind alte Freunde. Geschäfte? Auch. Wir wollen seine Memoiren herausgeben.«
Ich erwiderte sein Lächeln. »Ich habe mir einen Verleger ganz anders vorgestellt.«
»Was soll ich dazu sagen? Es gibt uns in allen Variationen.«
»Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?«
»Über Umwege. Ich habe sogar irgendwann einmal Medizin studiert, bevor ich mich auf Sprachwissenschaft verlegte. Ich bin auch Journalist gewesen.«
Ich setzte mich auf den Stuhl, den er mir anwies, und rutschte damit ein wenig zur Seite, um zu vermeiden, dass mir das grelle Sonnenlicht direkt in die Augen fiel. Das Büro war hell, voller Bücherschränke, die sowohl mit eigenen als auch mit Büchern von anderen Verlagen gefüllt waren. Überall lagen Manuskripte, Prospekte und Fachzeitschriften über Bücher und Verlage herum.
»Ich war übrigens genauso überrascht wie er, dass eine Privatfirma wegen dieser, äh … der toten Frau eingeschaltet wurde.«
Ich versuchte, seinen Blick möglichst ausdruckslos zu erwidern.
Scholte zog ein mitleidiges Gesicht, wie ein Gefängniswärter, der einem Sträfling die letzte Zigarette reicht, bevor er ihn zum Richtplatz führt. »Er brauchte nur ein einziges Telefonat zu führen. Er ist ziemlich … nun ja. Wer hat diesen Auftrag erteilt?«
»Solche Dinge werden in der Regel vertraulich behandelt.«
»Finden Sie es nicht seltsam, dass dieser Auftrag überhaupt erteilt wurde?«
»Warum sollte ich?«
»Warum?« Er gab ein verächtliches Geräusch von sich. »Ich werde Ihnen sagen, warum. Ein Skelett wird gefunden. Niemand weiß, um wen es sich handelt. Es ist doch eigenartig, dass Meulendijk eingeschaltet wird, obwohl niemand weiß, wer die tote Frau war? Das tut man doch nur, wenn man das Opfer kennt, persönlich in die Sache verwickelt ist und gute Gründe dafür hat, wissen zu wollen, was genau geschehen ist und warum.«
Das Mädchen kam herein und stellte ein Tablett mit verchromter Thermoskanne und Kaffeetassen auf den Tisch zwischen uns.
»Sie sollten Kriminalromane verlegen«, sagte ich, als sie weg war.
Er schüttelte den Kopf. »Der Mörder ist der Einzige, der weiß, wer die Tote war. Aber der würde gewiss keinen Auftrag erteilen, um das herauszufinden.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung.«
»Überdies ist man sich doch so gut wie sicher, dass es dieser Serienmörder war?«
»So gut wie«, sagte ich.
»Voilà.« Er schwieg einen Moment. »Josef ist ziemlich aufgebracht, ich muss sie warnen.« Er griff zu schnell nach seinem Kaffee, so dass ein wenig über den Rand der Tasse schwappte und ein paar Tropfen auf seine Hose fielen. Ungeduldig wischte er mit der freien Hand darüber.
»Vielleicht ist noch jemand der Meinung, es sei ein merkwürdiger Zufall, dass die erste Ehefrau mit dem Flugzeug verunglückt und ein paar Jahre später eine Frau ungefähr in ihrem Alter unter dem Tennisplatz vergraben wird, ohne Kopf und Hände, so dass eine Identifizierung praktisch unmöglich ist.« »Noch jemand?«
Gleichmütig erwiderte ich seinen Blick. »Außer mir.«
Er fragte ganz offen: »Glauben Sie, dass deshalb jemand das Büro Meulendijk für Nachforschungen engagiert hat?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Waren Sie schon damals, als das Flugzeug abstürzte, mit dem Minister befreundet?«
»Natürlich. Aber ich bin nicht der Auftraggeber. Ich sehe da auch keinen Zusammenhang. Cleo ist verunglückt, darüber besteht kein Zweifel.«
»Waren Sie dabei, als die Nachricht kam?«
»Nein, aber ich habe Josef sofort aufgesucht … um ihm beizustehen. Dazu sind Freunde da.«
»Haben Sie Cleopatra gut gekannt?«
Er zögerte. »Na ja, gut gekannt
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