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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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unglücklich war?«
    Er wechselte wieder einen Blick mit Scholte. »Ich spreche nicht gern darüber.«
    Ich wartete.
    »Cleo war häufig krank, nicht richtig krank, unbestimmte Dinge, Zipperlein.«
    »Sie klagte über alles Mögliche«, ergänzte Barend Scholte. »Das kann man doch so sagen?«
    Cleveringa gab seinen Widerstand auf, als hoffe er, mich schneller loszuwerden, indem er persönlichere Dinge preisgab. »Ich denke, die Arzte nahmen sie nicht besonders ernst. Es kam mir so vor, als habe sie von ihnen oft Placebos verschrieben bekommen.«
    »Sie war sehr verwöhnt«, sagte Scholte.
    Ich verstand nicht, warum sie versuchten, Cleopatra zu einem Fall für den Psychiater zu machen. »Sie stammte aus einer reichen Familie?«
    »Die einzige Twenter Textilfamilie, die nicht Pleite gegangen ist.« »Und sie war die einzige Tochter?«
    »Das steht doch bestimmt alles in Ihren Unterlagen«, sagte Scholte schnell.
    »Ist sie je in psychiatrischer Behandlung gewesen?«
    Cleveringa runzelte die Stirn. »Nicht dass ich wüsste.«
    »Es klingt, als sei sie nicht besonders glücklich gewesen.«
    Er sah Scholte an. »Vielleicht war es ein Fehler.«
    »Diese Ehe?«
    Er schwieg. Ich fragte mich, wie sein Sexualleben aussah. Helene machte mir jedenfalls keinen unglücklichen Eindruck.
    »Vielleicht konnte sie nicht mit dir darüber reden«, half Scholte nach.
    »Das kann sein.«
    Mich beschlich das Gefühl, als wollten sie mich in einen Kokon ihres guten Willens einspinnen. »Sprach sie eventuell mit einer anderen Person, wissen Sie das? Mit ihrer Freundin, wie heißt sie noch, Clara?«
    Wieder runzelte Cleveringa die Stirn. »Sie sind gut informiert.«
    »Die Freundschaft war doch damals schon vorbei?«, fragte Scholte unschuldig.
    Cleveringa zuckte mit den Schultern.
    »Clara kam aus Utrecht?«
    »Ja, sie hatte dort eine Wohnung.«
    »Wie war die Adresse?«
    »Faustdreef dreihundertzwölf.«
    »Keine Ahnung«, sagte Scholte zur gleichen Zeit und schaute seinen Freund an. Er lächelte, aber ich sah einen Funken der Verärgerung in seinen Augen aufblitzen.
    »Dass du das noch weißt!«, sagte er, um sich aus der Affäre zu ziehen.
    »Ich habe sie dort einmal abgesetzt«, murmelte Cleveringa mit einem leichten Achselzucken.
    »Gut ein Jahr nach dem Unglück haben Sie sich wieder verheiratet. Gab es dabei keine Probleme?«
    »Nein.«
    Das überraschte mich, denn Cleopatra galt offiziell nur als vermisst. Um wieder heiraten zu können, musste Cleveringa vorher einen Richter dazu gebracht haben, offiziell die Todeserklärung auszusprechen, und selbst dann brauchte er noch zusätzlich eine Sondererlaubnis, um sich gegen eventuelle Klagen wegen Bigamie zu schützen, falls die Vermisste später doch noch auftauchen sollte. Insgesamt eine zeitraubende Prozedur, selbst für einen Minister, der Cleveringa damals noch nicht einmal war.
    Ich ließ es dabei bewenden und fragte: »Ihre Frau beschloss also, kurzfristig mit einer Freundin in Urlaub zu fahren. Können Sie sich noch erinnern, was sie sagte?«
    »Sie hatte ihre Koffer gepackt. Sie sagte, sie führe in Urlaub und ich solle nicht versuchen, sie daran zu hindern. Ich war natürlich empört. Ich war noch viel jünger und weniger gegen solche seelischen Erschütterungen gefeit.« Sein Gesichtsausdruck war bitter. »Ich fragte, wer diese Freundin sei, und sie erwiderte, das spiele keine Rolle.«
    »Und Sie dachten: Vielleicht ist es ein Freund?«
    Er rieb sich über die Stirn. Seine Fingerspitzen lagen kurz auf der Beule. »Sie reiste ab«, sagte er dann und schaute Scholte an. »Ich habe sie nie schlecht behandelt. Es war nur …«
    In einem seltenen Moment der Hilflosigkeit ließ er den Satz unvollendet.
    Der Faustdreef erwies sich als einer der älteren Wohnblöcke von Overvecht, einem Außenbezirk von Utrecht, der auf Kosten etlicher Hektar Weideland und zahlreicher Wassergräben immer weiter nach Norden gewuchert war. Vor fünfzehn Jahren waren dies wahrscheinlich die besseren und teureren Wohnungen gewesen, doch nun sahen sie schon ziemlich schäbig aus. Die Bäume waren groß geworden, aber ringsumher atmete alles die Atmosphäre allmählichen Niedergangs, verursacht durch zu viele Bewohner und zu viele Umzüge. Das Teurere pflegt sich mit den Grenzen der Randbezirke nach außen zu verlagern.
    Auf der Galerie der dritten Etage stolperte ich über Dreiräder und anderes, teilweise kaputtes Kinderspielzeug, doch neben der Eingangstür von Nummer 312 stand ein großes Weinfass mit

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