Cleopatra
…«
»Sind Sie verheiratet?«
Sein Gesichtsausdruck wurde angespannt. »Ich verstehe nicht, was das mit der ganzen Sache zu tun haben soll. Damals war ich verheiratet, ja.«
»Ich meine ja nur, dass Sie vielleicht als befreundete Ehepaare gemeinsam ins Theater oder in Konzerte gingen oder in Urlaub fuhren. Dann hätten Sie Cleopatra dadurch näher kennen können.«
Scholte holte tief Luft. »Natürlich haben wir gemeinsam etwas unternommen. Aber die Freundschaft bestand hauptsächlich zwischen Josef und mir und das hat sich nie geändert, auch nicht, als er Minister wurde. Wir sahen uns etwas seltener, das war alles.«
»Sie wissen also nicht, mit wem sie zusammen abgereist ist?«
»Josef und ich haben immer wieder darüber gesprochen. Ich habe auch hier und dort Erkundigungen für ihn eingezogen. Aber niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung.«
»Ist das nicht eigenartig?«
»Es muss jemand völlig Fremdes gewesen sein, für uns jedenfalls. Wir kannten nicht alle ihre Freunde und Freundinnen, vor allem nicht die von früher. Josef hat sich an ihre Mutter in Twente gewandt, aber die wusste auch nichts, obwohl das nicht viel zu bedeuten hat.«
»Wieso?«
»Ach …«Er winkte mit einer viel sagenden Geste ab.
»Sie glauben also auch, dass es sich vielleicht um einen Freund handelte und nicht um eine Freundin?«
Er zuckte mit den Schultern. »Was ich glaube, hat keinerlei Bedeutung.«
»Lebt ihr Vater noch?«
»Nur die Mutter. Sie ist im Altersheim. Josef hat wenig Kontakt zu ihr, aber das war früher auch schon so.«
»Vielleicht hat sie den Auftrag erteilt, nachdem sie in der Zeitung gelesen hatte, dass unter dem Tennisplatz ihres Schwiegersohns eine tote Frau gefunden wurde?«
»Es würde mich wundern, wenn sie noch Zeitung lesen könnte.« Scholte schlug sich resolut mit beiden Händen auf die Oberschenkel und stand auf. Er ging zum Fenster und schaute hinaus. »Cleopatra ist tot. Sie hat mit der Frau unter dem Tennisplatz nichts zu tun. Sie vergeuden Ihre Zeit. Da kommt Josef. Ich hoffe, dass Sie ihn nicht zu lange aufhalten. Er hat genug um die Ohren und mir ist lieber, wenn er sich auf seine Memoiren konzentriert.«
Seine Worte klangen genau richtig, wie die eines besorgten Freundes eben. Ich wurde aus Scholte nicht richtig schlau. Vielleicht hatte Cleopatra wirklich mit dem Skelett unter dem Tennisplatz genauso viel zu tun wie Exminister Cleveringa mit dem Mord an Kennedy und ich würde mich besser zu Marga in den Garten setzen.
Aber trotzdem hatte ich dieses hohle Fahnder-Gefühl im Bauch. Irgendetwas stimmt nicht, aber man weiß nicht, was. Das Einzige, was man tun kann, ist, in alle Richtungen zu graben und zu schauen, was man zu Tage fördert. Routinemäßige Schinderei.
Das Mädchen ließ Exminister Cleveringa herein. Ich stand auf, aber er ignorierte mich und gab Scholte die Hand, der ihm seinerseits auf die Schulter klopfte. Barend. Josef. Alte Kumpel.
Ich fühlte mich ausgeschlossen.
Cleveringa ist eine beeindruckende Persönlichkeit, das weiß jeder. Er ist einen Meter fünfundneunzig groß und mager und hat eine Beule auf der linken Seite seiner hohen Stirn. Das ist der Grund dafür, dass man ihn – jedenfalls die freundlich gesinnten Kameraleute – bei Interviews meist so platziert, dass die rechte Gesichtshälfte dominiert. Das gibt den Karikaturisten die Möglichkeit, seine auffallende Habichtsnase in eine Art abgesägtes Ofenrohr zu verwandeln, das an die Wand seines Gesichts gedrückt liegt und mit einem geriffelten Knie zwischen seinen Augen verschwindet. Seine Vorfahren besaßen diese Nase wahrscheinlich auch, hielten sie aber aus den Karikaturen heraus, weil sie nicht in die Politik gingen. Trotzdem fühlt sich Cleveringa überall wohl. Er ist es gewohnt, dass man ihm zuhört, und er braucht niemandem mehr etwas zu beweisen.
»Das ist Max Winter«, sagte Scholte endlich.
»Richtig.«
Cleveringa gab mir einen schnellen Händedruck, wie Politiker ihn austeilen, wenn sie ihr Flugzeug erwischen müssen, aber auch die Wahlen gewinnen wollen. »Ich hoffe, wir können es kurz machen. Ich muss sagen, dass ich recht verwundert war, als ich hörte, dass Sie mit meiner Gattin gesprochen haben. Was mich noch mehr verwundert, ist, dass Sie kein Polizeibeamter sind, sondern eine Art Privatdetektiv.«
Ich bin nicht so bewandert in der Sprache der Diplomatie wie die politischen Journalisten, die auf die Nachricht, dass ein Außenminister verwundert ist, mit großen Überschriften
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