Cleopatra
beruhen. Zwei Jahre später hält sie sich in Pisa auf und schickt Ihnen eine Karte und etwa ein Jahr später ist sie in den Niederlanden und wird ermordet. Klingt das wahrscheinlich?«
Ihre Wangen röteten sich. »Ohne den zynischen Unterton hört sich das für mich durchaus wahrscheinlich an, ja.«
»Und wer hat sie ermordet?«
Sie biss sich auf die Lippen. »Das sollten Sie eigentlich herausfinden.«
Ich starrte sie an. Die ganze Geschichte klang unsinnig, aber ich sah, dass sie vollkommen überzeugt davon war, ihre Mutter sei ermordet worden und nicht mit dem Flugzeug abgestürzt. Und es schien mehr dahinter zu stecken als nur die Obsession einer im Stich gelassenen Tochter.
»Sie wollen also, dass wir mit den Ermittlungen fortfahren?«, fragte ich.
»Ja, natürlich. Warum?«
»Weil ich glaube, dass Meulendijk einen Strich darunter ziehen will. Die Polizei hat ein Geständnis von Balde. Seiner Aussage nach handelt es sich um eine gewisse Irma; er kennt ihren Nachnamen nicht, aber er behauptet, er habe sie irgendwo in Gelderland aufgelesen.«
»Ich will, dass die Untersuchung fortgeführt wird, egal, was die Polizei sagt.«
»Sie waren damals acht Jahre alt. Wie …« Ich dachte an Marga und hielt den Mund. Lonneke schaute mich mit ungefähr demselben empörten Blick an. »Okay«, sagte ich. »Können Sie sich noch daran erinnern, wie der Tennisplatz angelegt wurde?«
»Ja, natürlich. Er sollte noch vor dem Fest fertig sein.«
»Vor welchem Fest?«
»Es gab ein Fest anlässlich der Ernennung meines Vaters zum Außenminister.«
»Und, ist der Tennisplatz rechtzeitig fertig geworden?«
»Nein. Es gab Verzögerungen auf Seiten des Bauunternehmens.«
Die fahrbare Betonmischmaschine, dachte ich. Eine unerwartete Verzögerung.
Vielleicht hatte der Täter den Tennisplatz zunächst gar nicht in Betracht gezogen, weil er dachte, er wäre inzwischen längst fertig gestellt. Wenn das so war, erkannte er diese Möglichkeit erst, als er auf Buchenstein eintraf. Kam er zu dem Fest? Mit einer Leiche im Kofferraum?
»Woran können Sie sich im Zusammenhang mit dem Fest noch erinnern?«, fragte ich.
Für Fe Mylene
»Es waren eine Menge Gäste da; viele davon aus der Politik, glaube ich. Kollegen meines Vaters. Ich weiß noch, dass eine kleine Kapelle spielte und dass das Ganze nicht im Garten stattfinden konnte, weil es regnete. Einige Leute hielten Reden, an die ich mich nicht erinnere; ich war ja damals erst zehn. Die Leute tanzten, trugen Smokings und wunderschöne Kleider. Ich musste um halb elf ins Bett.«
Sie schwieg und fing wieder an, in ihrer Tasche herumzukramen. »Ich habe noch etwas für Sie, aus den Papieren meiner Mutter.«
Sie gab mir eine alte Quittung, herausgerissen aus einem Block mit Vordrucken, wie man sie in Schreibwarengeschäften kaufen kann. Govert Blink – Fahndung und Ermittlung. Mein Text, aber mit einem anderen Namen und ohne ›diskret‹. Sein Büro befand sich in Zeist. Als Datum war der 12. September 1979 eingetragen, als Betrag fünfzehnhundert Gulden, die als Vorschuss von Fräulein C. Teulings bezahlt worden waren.
»Ein Privatdetektiv?«
»Ja. Warum sollte meine Mutter unter ihrem Mädchennamen einen Detektiv anheuern?«
»Das tun Sie doch auch«, bemerkte ich, nur um etwas zu sagen.
Lonneke stand auf. »Meine Mutter hatte das Geld. Mein Vater war bettelarm, als er sie heiratete. Er hat alles geerbt.«
Ich stand auch auf. »Verdächtigen Sie Ihren Vater?«
Sie kniff die Lippen zusammen. »Ich muss jetzt wirklich gehen.«
»Was sollten Sie erst mit achtzehn Jahre verstehen können?«
»Vielleicht, wie Beziehungen funktionieren?«
»Und, verstehen Sie das inzwischen?«
»Nein. Sie vielleicht?« Sie hielt mir ihre Hand hin, mit der unaufrichtigen Herzlichkeit einer Salesmanagerin. »Viel Erfolg.«
Ich ignorierte die Hand. »Was haben Sie gegen Ihren Vater?«
Sie blieb stehen. Sie stützte sich mit der Handtasche auf der Rückenlehne des Stuhls ab, beugte sich zu mir herüber und sagte leise: »Ich weiß es nicht. Ich würde es vielleicht verstehen, wenn ich wüsste, warum meine Mutter weggegangen ist.«
Ich schaute sie an. Mein Gesicht war ganz dicht an ihrem, so dass ihre Nase genauso groß wirkte wie die auf den Karikaturen von Cleveringa und ich den Kaffee und einen leichten Pfefferminzgeruch in ihrem Atem riechen konnte. »Sie wissen nicht, ob sie weggegangen ist«, sagte ich. »Und außerdem sind Sie doch selbst geschieden.«
Sie erstarrte.
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