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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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waren. Balde hackte Hände und Köpfe ab, aber nicht, um eine Identifikation zu erschweren, sondern aus anderen, perversen Gründen. Ihm war völlig egal, ob seine Opfer identifiziert wurden oder nicht. Balde war nur das Mittel zum Zweck, um die Sache zu einem Ende zu bringen.
    Aber warum diese Verstümmelung der Leiche? Balde mochte es Vergnügen bereitet haben, aber für einen Täter, der wusste, was er tat, musste es eine grauenhafte Operation gewesen sein. Blinder Hass und Wut, ein überwältigender Drang zur Zerstörung, zur Vernichtung? Nein. Dazu war es zu präzise, berechnend, chirurgisch. Nur Kopf und Hände. Wenn es ein Wutanfall gewesen wäre, hätte auch der Rest des Skeletts Spuren von Gewalteinwirkung aufgewiesen.
    Warum dann all die Mühe, wenn man den Plan hatte, die Leiche unter einem Tennisplatz zu verscharren, der, so weit man zu diesem Zeitpunkt voraussehen konnte, dort ewig bleiben würde?
    Vielleicht war es ein copycat gewesen, ein Imitationsmörder. Zu jener Zeit waren bereits mindestens sechs Leichen ohne Kopf und Hände gefunden worden und die Jagd nach dem Mörder war in vollem Gange. Der Täter wollte die Sache dem Serienmörder anhängen. Oder der Täter wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er wollte tatsächlich eine Identifizierung verhindern und hatte zusätzlich das Glück, dass Balde als Täter in Frage kam. Vielleicht war ihm da die Idee mit dem Tennisplatz als dauerhaftes Grab noch gar nicht in den Sinn gekommen? Aber jeder in Buchenstein wusste von dem Tennisplatz.
    »Jetzt ist der Kaffee aber wirklich gut durchgerührt«, bemerkte Lonneke.
    Ich schrak auf und legte den Löffel weg. »Ja. Außerdem ist noch nicht mal Zucker drin.«
    »Worüber denken Sie nach?«
    »Das Skelett weist einen alten Knochenbruch auf. Hat sich Ihre Mutter jemals das Bein gebrochen?«
    »Ich weiß nicht.« Sie sah mein ungläubiges Gesicht und fragte bissig: »Könnten Sie mit Sicherheit sagen, ob sich Ihre Mutter je das Bein gebrochen hat?«
    Ich dachte an meine unternehmungslustige Mutter. »Nein, absolut nicht. Aber die Polizei hat alle Kliniken und Krankenhäuser mit den Röntgenfotos abgeklappert.«
    Sie warf mir einen herablassenden Blick zu. »Das bedeutet doch nur, dass sie auch keine andere Kandidatin haben.«
    Ich nickte. »Und nun die wichtigste Frage: Warum glauben Sie, dass es Ihre Mutter sein könnte?«
    »Niemand glaubt mir«, murmelte sie, während sie ihre Handtasche aufstellte und öffnete. »Aber das ist eine Karte von meiner Mutter, zu meinem zehnten Geburtstag.«
    Noch mehr Harmonie im Zufall. Diese rätselhaften Ansichtskarten fingen an, mir auf die Nerven zu gehen. Bei dieser hier handelte es sich um ein verschlissenes Exemplar mit einer Abbildung des schiefen Turms von Pisa. Was sollte ich damit anfangen? Er sieht aus, als fiele er um, aber er fällt nicht? Es sieht aus, als sei ich tot, aber ich bin es nicht? Der Poststempel war deutlich erkennbar: Pisa, 12. 6.1982, adressiert an Lonneke:
    ›Nur noch acht Jahre, dann bist du alt genug, C.‹
    »Alt genug wofür?«
    »Um es zu verstehen?«
    »Und, sind Sie inzwischen alt genug?«
    »Nein, deswegen habe ich ja Meulendijk eingeschaltet.«
    »Ist das die Handschrift Ihrer Mutter?«
    »Nein.«
    »Warum glauben Sie dann, dass sie die Absenderin war? Nur weil ein C. draufsteht? Haben Sie Cleopatra zu Ihrer Mutter gesagt?«
    »Nein. Mama.«
    »Warum steht dann da nicht ›Mama‹?«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie presste schmollend die Kiefer aufeinander und schaute mich ärgerlich an. »Vielleicht hat sie die Karte von einem Freund an mich schicken lassen. Vielleicht hatte sie Gründe für ihr rätselhaftes Verhalten. Aber diese Karte kam von ihr, das war mir sofort klar. Mein Vater wurde wütend, als ich nicht aufhörte, das zu behaupten. Er wollte sie zerreißen. Er wusste genauso gut wie ich, dass sie von meiner Mutter stammte, sonst hätte er nicht so reagiert.«
    »Warten Sie mal«, sagte ich. »Ihre Mutter nimmt ein Taxi nach Schiphol. Sie checkt sich für den Flug nach Teneriffa ein. Ihr Gepäck geht an Bord. Im letzten Moment nimmt sie ein anderes Flugzeug oder verschwindet irgendwo anders hin. Ohne eine Spur zu hinterlassen? Benutzte sie ihren Pass?«
    »Niemand hat nach ihr gesucht. Sie kann jedes Flugzeug genommen haben, von jeder beliebigen Fluggesellschaft. El AI, Varig, Kuwait Airlines.«
    »Okay, in Kuwait liest sie in der Zeitung, dass sie tot ist. Aus unbekannten Gründen lässt sie diese Tatsache auf sich

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