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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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besseres Auskommen gesucht, etwas, das sie offensichtlich schon seit Jahrhunderten taten, denn – ebenso wie in Surinam – wohnten mehr Malteser im Ausland als zu Hause.
    Das Hotel St. Patrick war kaum zur Hälfte belegt, obwohl die laut Reiseführer gastfreundlichste Bevölkerung der Welt sich ziemliche Umstände gemacht hatte, als ich von Valletta aus versuchte, telefonisch ein Zimmer zu reservieren. Ein Deutsch sprechendes Paar saß auf der nicht sehr großen, überdachten Terrasse vor dem Hotel. Der Rest der Touristen befand sich wahrscheinlich auf Wanderungen über die Felsplateaus.
    Der stämmige, stark behaarte Hotelbesitzer, der dunkle Augen hatte und auf der Wange eine Narbe von einem Malteser Ritterschwert, führte uns die knarrenden Treppenstufen hinauf. Das Zimmer war geräumig, mit Meerblick, schweren Schränken, einem großen Spiegel und einem Gitterbett aus Kupfer. Es verfügte auch über ein großes Bad, das in Kombination mit dem Bett der Sonne genügend Zeit zum Untergehen ließ, bevor wir ins Restaurant hinuntergingen.
    Während der Wirt geduldig wartete, bis Marga aus den Timpanas, Ravjuls und anderen Geheimnissen auf der Speisekarte schlau wurde, zog ich wie nebenbei das Foto von Clara und Irene heraus.
    »Kennen Sie diese Dame?« Ich zeigte auf Clara. »Sie ist eine Freundin von uns und muss hier in der Nähe wohnen.«
    Ich wollte ihm das Foto hinüberreichen, aber dem Mann genügte offensichtlich ein Blick darauf und er rührte es nicht an. Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Vielleicht bildete ich mir das abwehrende Aufblitzen seiner Augen nur ein.
    »Das fenech ist sehr lecker«, sagte er zu Marga. »Es ist unsere Spezialität – Kaninchen.«
    »Prima, das nehme ich«, sagte Marga. »Mit Salat und Tomaten.«
    Ich hielt weiterhin dickköpfig meinen Finger auf Clara. »Haben Sie diese Dame noch nie gesehen? Sie heißt Clara Mending oder Deleye.«
    Er schaute das Foto nicht mehr an. »Viele Touristen kommen hierher.«
    »Aber sie ist keine Touristin. Sie wohnt schon seit ungefähr zwanzig Jahren hier.«
    »Möchten Sie Wein dazu?«
    »Den Verdala«, sagte Marga.
    Der Mann klemmte die Karte unter den Arm und ging.
    Ich schaute Marga an. »Und, was sagst du dazu?«
    »Dass wir besser auf die Lofoten gefahren wären.«
    »Er hat Clara Mending erkannt.«
    »Ja, eben deswegen.«
    Marga zog sich zu den klöppelnden Damen am Ufer zurück, während ich mit Claras Foto in den wenigen kleinen Läden und dunklen Verkaufsnischen am Wasser hausieren ging, wo die örtlichen Klöppel- und Strickarbeiten angeboten wurden. Überall erntete ich Varianten derselben Reaktion: ein Blick auf das Foto, ein leichter Schreck und dann abweisend geschüttelte Köpfe oder Gesichter, die sich wie Austern schlossen und abwandten. Ich fing an, mich wie ein kleiner Straßenverkäufer in Kairo zu fühlen, der schmutzige Bildchen feilbietet, und verlor allmählich die Geduld.
    »Warum sagen Sie mir nicht einfach, wo ich sie finden kann?«, schnauzte ich eine Frau an, die eine Auswahl an Spitzendeckchen vor mir ausbreitete, als sei ich deswegen gekommen. »Ihre Familie macht sich Sorgen. Das sagt Ihnen doch etwas: Familie, oder?«
    Die Verkäuferin starrte weiterhin unbewegt auf die Deckchen auf der Ladentheke, doch die mindestens achtzigjährige Frau, die neben ihr stand und wahrscheinlich ihre Schwiegermutter war, hob den Kopf. Sie hatte kohlschwarze Augen und schaute mich so vernichtend an, dass ich mich umdrehte, ohne ein Wort zu sagen, und aus der dunklen Nische floh, bevor sie mich in eine Salzsäule verwandeln konnte.
    Einen Moment stand ich mit einem Schwindelgefühl im Kopf in der Sonne, die auf die Bucht brannte. Die Wasseroberfläche erschien schwarz unter den hin und her schießenden Strahlen blendenden Lichts, das wie ein zitternder Deckmantel über verborgenen Geheimnissen lag.
    Schwarze Magie ist Blödsinn, hielt ich mir vor Augen. Malta ist ein zivilisiertes Land, selbst wenn sie ihren im Grunde katholischen Gott mit Allah anreden. Es liegt nur an der Hitze.
    Die Stimmen der Touristen kehrten zurück und auch das arabisch klingende Maltesisch der alten Frauen, schwarze Flecken vor dem glitzernden Goldsilber der Bucht. Ein dunkelhaariger junger Mann kam mit einer schweren Kiste voller Weinflaschen aus dem Hotel St. Patrick heraus. Als er an mir vorbeiging, wurde sein magerer Körper von einem Lichtstreifen verschluckt, so dass nur sein Kopf darüber zu schweben schien. Ich starrte sein Profil an und

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