Cleopatra
fand schon einen kleinen Koffer für uns beide sowie eine bescheidene Reisetasche übertrieben.
»Welche Frau?«
Sie wies mit dem Kinn auf den Reiseführer. »Die römische Frauenfigur aus dem ersten Jahrhundert nach Christus.«, zitierte sie. »Leider ohne Kopf.«
»Nach Christus?«
»Versuch jetzt nicht, von dem Tennisplatz abzulenken.«
»Ich bin ausschließlich wegen deines Körpers hier«, sagte ich.
Ihr sonniges Lächeln war nicht für mich bestimmt, sondern für ein staubiges Taxi, das in diesem Moment auf den Platz geschlichen kam. Auf Margas aufgeregtes Winken hin begann das Taxi, Maulesel aus dem Weg zu hupen, und nahm Kurs auf uns. Ein zahnloser Mann in einem Karohemd stieg aus und fragte: »Taxi?«
Das Vehikel sah nach Eisendraht und freiem Unternehmertum aus, aber auf dem mit Messerstichen durchbohrten Armaturenbrett aus Plastik war eine zwanzig Zentimeter hohe Madonna befestigt.
»Hotel Sankt Patrick in Xlendi«, sagte ich.
Der Taxifahrer verstaute unser Gepäck zwischen kaputten Kaninchenkäfigen und Jutefetzen in seinem Kofferraum und erklärte, ‚dass er das Hotel Sankt Patrick in Xlendi mühelos für uns finden könne und dass es eine ideale Wahl für so ein junges Paar auf Hochzeitsreise sei.
»Kein Wort über Alexander«, murmelte ich und schob Marga vor mir her auf die Rückbank.
»Ah, Sie möchten auch nach hinten.« Der Taxifahrer nickte verständnisvoll, mit einem Blick auf Margas Schenkel, die durch die Herumrutscherei reichlich entblößt waren.
Marga zog den Rock über die Knie. Ich setzte mich auf den Sitz neben ihr und schlug die Autotür zu, wobei die Seitenscheibe mit einem Schlag heruntersackte.
Der Taxifahrer hielt an, drehte sich um und beugte sich über die Rücklehne seines Sitzes, als hätte er Probleme mit seinem Gedächtnis.
»Hotel St. Patrick?« »Es gibt kein anderes Hotel«, sagte ich.
»Ich trage sonntags in der Kirche einen Schleier«, bemerkte Marga tugendhaft.
»Das ist gut.« Der Taxifahrer schaute geradeaus und startete den Motor. Wir hatten Victoria noch nicht verlassen, als Marga sich nach vorn beugte und ihm auf die Schulter tippte. »Halten Sie bitte mal kurz an?«
Der Mann schaute verwundert in seinen gesprungenen Rückspiegel. Marga musste ihre Aufforderung zweimal wiederholen, bevor er seinen Wagen links an die Seite fuhr.
»Das Taxameter funktioniert nicht«, sagte Marga.
»Ich bin ja schon froh, dass der Motor funktioniert«, murmelte ich.
»Du solltest deine Reiseführer immer genau lesen.«
Der Taxifahrer hörte unserem Wortwechsel in einer für ihn unverständlichen Sprache zu. Dabei schien er mit einem Schlag auch seine Englischkenntnisse verloren zu haben.
»Se mieter!« Marga zeigte darauf. »Sis bloody sing in front of you. The money, the fare, the Scheißding.«
Das Gesicht des Taxifahrers hellte sich auf und er legte einen Fingernagel auf die heilige Jungfrau.
»Want to buy?«
»Allah wird dich strafen.« Marga zeigte tiefer.
Der Taxifahrer schaute sein Taxameter an, als entdecke er dieses Ding zum ersten Mal. »O, dis?« Er klopfte vorsichtig mit den Knöcheln darauf, als wolle er es nicht kaputtmachen.
»Alter Trick«, sagte Marga und genoss sichtlich das nun folgende Geschacher, in dessen Verlauf sie sich schließlich auf einen Preis von eins Komma dreißig maltesischen Pfund einigten. »Old trick. Sie haben bestimmt auch kein Wechselgeld dabei?«
Mit einem Pfund dreißig hatte der Taxifahrer bestimmt kein schlechtes Geschäft gemacht, da Xlendi meinem Gefühl nach nur zehn Minuten von hier entfernt lag.
Die Sonne brannte auf den Halbkreis gelber und weißer Gebäude, an die ich mich von der Ansichtskarte her erinnerte. Die zur Linken wirkten, als würden sie von einem kahlen, kalksteinfarbenen Felsmassiv weggedrückt, das auf der Ansichtskarte nicht zu sehen war. Auf dem stärker bewachsenen anderen Ufer der Bucht, von wo aus das Foto aufgenommen worden sein musste, waren frei stehende Gebäude und eine Art dreistöckiges Apartmenthaus zu sehen.
Ein Mann schaukelte in einem grünen Ruderboot auf den glasklaren, türkisblauen Wellen. Vier oder fünf dunkel gekleidete Frauen, die mit Stricken oder Klöppeln beschäftigt waren, saßen auf Bänken, die in einer langen Reihe am Ufer aufgestellt und von etwa einem Dutzend Tamarisken umgeben waren.
Hier bei den Alten stand die Zeit still. Die Jüngeren waren auf dem Meer zum Fischen oder hatten sich auf dem reicheren Malta oder auf noch reicheren anderen Kontinenten ein
Weitere Kostenlose Bücher