Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Udai sei ein guter Herrscher gewesen, fügten sie hinzu. Er habe seinen Geburtsort immer wohlwollend behandelt und alles getan, was er konnte, um die Tragödien zu mildern, die die Jahre mit sich gebracht hatten.
Joe hatte das Gefühl, seine neue Rolle als Historiker fordere von ihm, sich nach diesen Tragödien zu erkundigen. Wieder war die Reaktion fast überwältigend. Die sieben Jahre währende Dürre zur Jahrhundertwende, die gegenwärtige Dürre, die genauso katastrophal zu werden drohte, der Krieg in Europa, bei dem so viele junge Männer ihr Leben gelassen hatten, die mit den Ranipur Lancers ausgezogen waren, die Grippe, die die Bevölkerung dezimiert hatte, das Verschwinden der alten Handelsrouten, die niemals endenden Steuern, die die Briten ihnen auferlegten, und die Abwanderung der jungen Leute in die Städte . die Liste war lang und schmerzvoll.
Joe hörte mit halbem Ohr der von Herzen kommenden, wehklagenden Litanei aus Verlust und Zerstörung zu, als ihm plötzlich ein schrecklicher Gedanke kam. Ein derart schrecklicher Gedanke, dass sein Verstand es nicht glauben wollte und ihn sofort wieder verwarf. Doch er kehrte mit doppelter Kraft zurück, und Joe wusste plötzlich, warum ihn sein Instinkt nach Surigargh geführt hatte.
Kapitel 14
Im Durbar-Saal hörte Udai Singh, wie die Jenny über den Palast hinwegflog. Er schickte die restlichen Bittsteller fort, ebenso alle Diener, und rief seinen Bruder zu sich.
»Unsere Gäste kehren zurück, Zalim.«
»Wie Ihr vermutet hattet, Hoheit, sind sie in Richtung Surigargh geflogen. Dem Engländer eilt der Ruf voraus, dass er die Wahrheit herausfindet und sich der Ehrlichkeit verpflichtet fühlt. Edgar sagt, er ist das, was er zu sein scheint, und dient niemand anderem als dem britischen Empire. Es heißt jedoch, er sei Auge und Ohr von Sir George.«
»Und was ist mit dem Gehirn, Zalim? Das interessiert mich. Hat er genug Verstand, um zum Kern unseres Problems vorzustoßen? Wir müssen unseren unternehmungslustigen Detective etwas ermuntern. Wenn er geschickt wurde, um zu beobachten, dann soll er auch beobachten. Sorge dafür, dass er ständig Zugang zum Telefon hat - er wird seinem Meister Bericht erstatten müssen. Ich sehe, dass dieser Mann unter seinesgleichen Ansehen genießt, und seine Anwesenheit hier hat die anderen bereits umsichtiger und ruhiger gemacht ... wie eine Herde, wenn der Hirte zurückkehrt. Er hat auch nicht mehr Macht als sie, aber er verbreitet eine Aura, eine Illusion von Stärke, die sie offensichtlich tröstlich finden. Ich möchte, dass er noch eine Weile bleibt. In den kommenden Tagen könnte für meinen Sohn Gefahr bestehen, und Bahadur hat mir erzählt, dass er den Mann mag und ihm vertraut. So soll es also sein. Möge der Polizist als inoffizieller Leibwächter für das Kind agieren. Das wird ihm Ablenkung bieten . wenn das die Frauen schon nicht vermögen, falls man den Berichten glauben darf.«
»Er mag Padmini abgewiesen haben, Hoheit, aber er hat die Nacht nicht allein verbracht.«
Udai Singh hob eine Augenbraue.
»Die Amerikanerin. Eure Schwiegertochter ...«
Niemand außer seinem Bruder hätte es riskiert, dem Herrscher diese Information zukommen zu lassen.
Udai Singh explodierte.
»Sie ist nicht mehr meine Schwiegertochter!«, fauchte er. »Wenn sie es denn überhaupt jemals war! Die Frau ist fraglos unrein - eine Ausländerin und noch dazu Witwe. Er könnte sich gleich zu einer Straßendirne legen! Aber es sind Ausländer, ohne Kaste, mit ihren eigenen Gepflogenheiten.«
»Man hat mir gesagt, Euer Hoheit, dass sie sich nur unterhalten haben. Es wäre möglich, dass die Amerikanerin nur Zuflucht bei ihm suchte.«
»Vielleicht geht sein Geschmack in eine andere Richtung? Finde heraus, was wir ihm bieten können. Sport - das wird ihn doch sicherlich ablenken. Wir müssen die Tigerjagd sobald wie möglich ansetzen. Doch jetzt ist die Zeit gekommen. Lass den Detective und Edgar kommen. Ich wünsche sie hier in einer halben Stunde zu sprechen. Sende auch nach dem Schreiber, falls wir seine Dienste für eine Änderung des Dokuments benötigen. Und der Vertreter der britischen Regierung sollte wohl auch anwesend sein, auch wenn er sehr wohl weiß, was ich vorschlagen will. Ich werde die Zeremonie vom Gaddi aus durchführen.«
Er drehte sich um und ging langsam davon. Der Dewan klatschte in die Hände und gab Befehle an die Diener aus, die sich unverzüglich auf den Weg machten.
Edgar und ein Khitmutgar des Palastes
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