Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
abzubrechen.
»Joe, Commander Sandilands, darf ich Ihnen Ihr Gegenüber bei den Ranipur-Kräften vorstellen? Das ist Major Ajit Singh.«
Es wurde keine Hand ausgestreckt, also erwiderte Joe nur das formelle Nicken des Kopfes.
»Ajit ist für die Polizeiarbeit in unserem Land verantwortlich, und das äußerst niedrige Aufkommen von Verbrechen, das wir hier genießen, spricht für die Wirksamkeit seiner Methoden. Ich bin sicher, Sie beide haben viel gemeinsam, aber es gibt sicher auch vieles, das Sie nicht gemeinsam haben. Ich werde Sie jetzt dem Gedankenaustausch überlassen. Ach übrigens, Commander, ich habe gehört, dass Sie heute Morgen Surigargh besucht haben. Das ist nicht nur meine Heimat, sondern auch die von Ajit.«
Er entfernte sich, um sich mit Claude zu unterhalten. Joe stand daraufhin dem Polizeichef von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Ajit Singh war sehr groß und hielt sich aufrecht. Die Enden des schwarzen und mit Silberstreifen durchsetzten Schnauzers waren nach oben gezwirbelt und unter den weißen Turban gesteckt. Jeder Aspekt seiner Uniform war makellos, und Joe bemerkte mit Interesse, dass der Gesamteindruck eine - selbst für indische Verhältnisse - ernst zu nehmende Militärpräsenz vermittelte. Selbst der penibelste Feldwebel eines Eliteregiments hätte noch von diesem Mann lernen können, was die äußere Erscheinung anging.
»Wir werden Englisch sprechen«, erklärte Ajit rigoros.
Joe war an die tiefen, geheimnisvollen indischen Stimmen gewöhnt, die die Stimme eines durchschnittlichen Engländers vergleichsweise hohl, oberflächlich, bisweilen sogar schmetternd klingen ließen, aber die Stimme von Ajit Singh war sogar für einen Rajputen unverwechselbar. Joe dachte, dass er wohl mit einer Mischung aus Sand und Honig gurgeln musste, um diese Tiefen zu erreichen - guttural, aber verführerisch.
»Ich spreche nicht gut Englisch, aber wie ich höre, sprechen Sie überhaupt kein Hindi«, fügte Ajit kühl hinzu.
Joe lächelte. Der erste Punkt in diesem Armdrücken, zu dem er zwangsverpflichtet worden war, ging an Ajit. Der bog einen Finger, und ein junger Offizier, der eine ähnlich dunkelblaue Uniform trug, wenn auch mit beträchtlich weniger Goldschnüren, verließ seinen Platz an der Tür und fädelte sich respektvoll durch die Menge auf sie zu.
»Ram spricht hervorragend Englisch, Sandilands. Er wird uns bei der Konversation helfen«, erklärte Ajit. »Ram wurde bei der Polizei von Kalkutta ausgebildet.«
>Na gut<, dachte Joe, >zwei Punkte für Ajit Singh.<
Der junge Offizier schüttelte ihm die Hand und stellte sich in einwandfreiem Englisch vor. Ajit klopfte dem Mann besitzergreifend auf die Schulter und fügte hinzu: »Sie sehen hier den nächsten Polizeikommandanten des Landes vor sich, Commander. Wenigstens - denn Ram könnte noch weiter vorankommen. Ich fürchte, seine Karriere wird ihn in die Hauptstadt führen, wo er sich erstklassig schlagen wird.«
Sie fielen in eine überraschend mühelose Unterhaltung. Ram wollte sich unbedingt Joes Wissen zunutze machen und befragte ihn eingehend zu den westlichen Entwicklungen in Bezug auf Ermittlungsmethoden und Verbrechensaufklärung. Interesse wechselte mit Erstaunen, als Joe die erste Fliegerstaffel und die Vorschläge einer internationalen Polizeitruppe umriss. Ram war fasziniert von den neuen ballistischen Techniken, die Joe leidenschaftlich erklärte, und hörte ihm bei der Erläuterung der Patronenuntersuchung mittels Zwillingsmikroskopen aufmerksam zu.
Claude, der sich an den Rand ihrer kleinen Gruppe gestellt hatte, schien gleichermaßen beeindruckt. »Wollen Sie damit sagen, dass diese Methoden jetzt auch der Polizei von Kalkutta zur Verfügung stehen, Sandilands?«
»Nicht nur der Polizei von Kalkutta, sondern dem ganzen Land. Vieles von dem, mit dem ich gerade geprahlt habe, befindet sich noch im Experimentierstadium, wie ich zugeben muss, aber ja - bestimmte ballistische Analysetechniken stehen uns schon jetzt zur Verfügung. Wir können eine Patronenhülse mit dem Verschlussstück der Waffe abgleichen, aus der gefeuert wurde; wir können die Abfeuerungsrillen auf einer Kugel mit dem Lauf abgleichen, aus dem sie kam. So eindeutig und so nützlich wie Fingerabdrücke. Wir stehen noch ganz am Anfang, aber es gibt bereits verlässliche Ergebnisse. Beweise, die beispielsweise hier in Ranipur gesammelt wurden, können zum Polizeihauptquartier nach Kalkutta geschickt werden, und innerhalb weniger Tage erhalten Sie
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