Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Hindi zu finden, um sich zu bedanken, das traditionelle Stimulantium jedoch abzulehnen. Sein Gastgeber, Shardul Singh, winkte die Hookah fort, lächelte und bat stattdessen um Tee und Gebäck. Sie saßen barfuß und mit überkreuzten Beinen auf Matratzen mit weißem Baumwollüberzug, unter sich den kühlen Marmorboden einer Veranda mit Blick auf einen Innenhof, der reich war an Blumen und Obstbäumen. Joe fragte sich kurz, wie viele Eimer Wasser jeden Tag hierher getragen werden mussten, um dieses üppige Wachstum zu erhalten. Shardul trug einen schlichten weißen Dhoti, eine Kurta und einen gelben Turban und war von ähnlich gekleideten, lächelnden Männern umgeben, deren Alter von jung bis sehr alt reichte. Einer der Jüngeren wurde mit der Erklärung nach vorn gebracht, dass sein Englisch sehr viel besser sei als Stuarts Hindi, und gut gelaunt fand die Audienz statt.
Höfliche Komplimente flossen von beiden Seiten, und es dauerte seine Zeit, bevor Stuart den Moment für gekommen erachtete, um auf ihr eigentliches Begehren zu sprechen zu kommen. Diplomatisch erkundigte er sich, ob er mit Ali, dem Verwandten des Stammesführers, sprechen könne.
Die Frage wurde mit etwas erwidert, was Joes scharfer Blick für echtes Erstaunen hielt. Köpfe wurden geschüttelt, gegenseitige Konsultationen fanden statt, und Fragen wurden gestellt. Man kam zu dem Schluss, dass Stuart die Pläne seines Monteurs missverstanden haben musste. Ali war nicht wieder zurückgekehrt, seit er vor über einem Jahr aufgebrochen war, um für Stuart im Palast zu arbeiten. Die Männer schienen auf höfliche Weise besorgt, aber durch das vermeintliche Verschwinden ihres Verwandten keineswegs in Panik. Sie waren viel mehr von Joes Anwesenheit als von Alis Abwesenheit fasziniert, und Joe hatte den Eindruck, dass sie ungeduldig auf eine Erklärung für sein Erscheinen warteten.
Stuart erzählte ihnen die Einzelheiten von Joes Besuch in Ranipur und übertrieb dabei seine Bedeutung, wie Joe fand. Ein Freund des Vizekönigs? Ein gefeierter Tigerjäger? Ein außergewöhnlicher Polospieler? Er hoffte, er würde nie gezwungen sein, diese vermeintlichen Attribute unter Beweis zu stellen. Und dann erzählte Stuart ihnen auch noch, dass Joe darüber hinaus ein Gelehrter sei - ein großer Brahmane in seinem eigenen Land. Er betreibe Forschungen für eine Studie über die Shekhavati-Region. Sie hätten doch alle von Colonel Tod gehört, der einhundert Jahre zuvor die Geschichte der Raj-puten aufgeschrieben hatte? Tja, Joe führe das gute Werk des Colonels fort. Ob es ihnen etwas ausmache, wenn er ihnen ein paar Fragen über das Leben der Rajputen stelle?
Es machte ihnen nichts aus. Sie waren fasziniert. Sie antworteten ausführlichst. Joe nahm sein Scot-land-Yard-Notizbuch und schrieb die Antworten auf die Fragen auf, die Stuart ihnen stellte. Er formulierte sogar einige Fragen selbst, so unterhaltsam fand er die erzählerische Energie und das Vergnügen, das die Männer bei den Überlieferungen und der Geschichte ihres Stammes hatten. Beinahe fühlte er sich überrumpelt, als Stuart plötzlich eine Frage über die Thronfolge in Ranipur in die Unterhaltung einstreute. Aber Stuart wusste, wie sehr Joe daran interessiert war, die Geschichte von der Thronbesteigung Udai Singhs zu erfahren.
Offensichtlich war es eine beliebte Geschichte, da jeder begierig darauf bedacht war, seine eigene Version zu erzählen oder zumindest die Version eines anderen zu korrigieren. Dem Strom an Hindi und Englisch entnahm Joe eine faszinierende Geschichte. Udai, der keineswegs ein bescheidener Dorfjunge gewesen war, kam als jüngster Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns zur Welt, war aber nicht von königlichem Geblüt. Bei seiner Geburt vor fast einem halben Jahrhundert wurde wie üblich ein Horoskop erstellt und verlesen, und seine Familie vernahm zu ihrem Erstaunen, dass das Baby eines Tages Herrscher sein würde. Die Männer erinnerten sich genau und zitierten das Horoskop Wort für Wort, und Stuart übersetzte: »Der Junge wird eines Tages Maharadscha sein sowie der Vater eines Maharadschas, der eine neue Sonne über Ranipur aufgehen sieht.«
Und alles war wie vorhergesehen eingetroffen. Der alte Herrscher war kinderlos geblieben und hatte mit zunehmendem Alter und zweifellos im Wissen um die Prophezeiung den jungen Udai adoptiert, ihn und seinen älteren Bruder nach Ranipur geholt und beide dort in den Fertigkeiten unterrichtet, die nötig waren, um ein Königreich zu regieren.
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