Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
ist eine Prinzessin aus einer südlichen Provinz. Und nein, Bishan war nicht mit Kindern gesegnet. Meine Töchter haben alle viele Kinder, aber wir warteten noch darauf, dass auch Bishan dieses Glück widerfahren sollte ...« Ihre Stimme verlor sich, und Joe spürte, dass diese Frage sie tief getroffen hatte.
»Aber Ihre Gedanken folgen den meinen auf ausgetretenen Pfaden, Sandilands. Hätte Bishan mehrere Söhne gehabt, dann hätte mein Ehemann nicht diese katastrophale Wahl treffen müssen, die er nun im Hinblick auf seinen Nachfolger zu treffen hatte. Ich gebe Bishans Frau die Schuld, dieser langweiligen, kleinen Maus. Wenn sie sich mehr bemüht hätte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wozu ich sie ständig drängte .« Bedauern und Wut raubten ihr die Stimme.
Es schien der rechte Moment um aufzubrechen. Joe verabschiedete sich so rasch er konnte, folgte Zafiras schwingenden Hüften und klatschenden Händen blind durch die Flure. Im Gehen verspürte er seine Trauer um die verschmähte Maus, und er fragte sich, in welch dunklen Winkel der Zenana sie geflohen war, um in ihrer Scham allein zu sein und der Verachtung und der Wut ihrer Schwiegermutter zu entfliehen.
Kapitel 18
Wie nicht anders zu erwarten, wurde Joe von den finsteren Gesichtszügen von Edgar Troop begrüßt, als er aus der Zenana kam.
»Da sind Sie ja, Sandilands! Und hier bin ich, wie Sie sehen - Schafe bewachen.« Er lachte verlegen auf. »Nach allem, was Sie heute mitgemacht haben, Joe, nehme ich an, dass Sie nichts anderes als gute Nachrichten hören möchten.«
Sieh einer an, was für eine Überraschung! Zartgefühl und Einfühlsamkeit waren keine Charaktereigenschaften, die Joe Edgar zugeschrieben hätte.
»Nicht, dass Sie offiziell je im Dienst gewesen wären, versteht sich. Das vergesse ich schon nicht«, murmelte er. »Wir haben dafür gesorgt, dass ein leichter Imbiss in Colins Quartier serviert wird - nur für uns drei. Wir können den Abend damit verbringen, die Tigerjagd zu planen. Colin ist ein paar Tage vor uns hier eingetroffen, und er hat schon erste Erkundungsgänge durchführen können. Er weiht uns in seine Planungen ein, teilt Aufgaben zu, prüft die Waffen .«
Joe musste lächeln, als Edgars grobe Gesichtszüge
von Vorfreude überzogen wurden. Das war seine Welt: ein Abend, in aufgeknöpfter, aber zweckmäßiger Runde, mit gleich gesinnten Männern, kompetent und versessen. Offenbar waren doch die Baracken und nicht die Bordelle sein natürliches Habitat.
»Hatten Sie mit Ihrer Ersten Hoheit viel zu bereden?«, erkundigte sich Edgar beiläufig, als sie sich von der Zenana etwas weiter entfernt hatten.
»Unglaublicherweise ähnelte das Ganze einem Flirt«, erwiderte Joe.
Edgar blickte finster. »Sie mag ihre Ablenkungen. Es unterhält sie, einen naiven, jungen Engländer zum Narren zu machen. Unterschätzen Sie sie niemals. Man kann sie im Schatten hinter dem Paravent nicht sehen, aber er steht strategisch immer so, dass man ein wenig in der Sonne schwitzen muss. Und sie sieht alles ! Jede noch so kleine Veränderung im Gesichtsausdruck!«
»Das fiel mir auch schon auf«, bestätigte Joe. »Ich muss mir eine ähnliche Technik für den CID einfallen lassen, sobald ich wieder zu Hause bin. Wir finden es nämlich auch nützlich, Veränderungen im Gesichtsausdruck einzufangen.«
»Was wollte sie von Ihnen? Abgesehen von der Gelegenheit, Ihr markiges Männergesicht zu sehen?«
»Was alle wollen: herausfinden, wer ihren Sohn umbrachte. Ich soll ihr den Namen des Mörders ins Ohr flüstern.«
»Haben Sie etwas Interessantes herausbekommen?«
»Ich habe herausgefunden, dass Bishan kein sehr zufriedenstellender erster Sohn war. Er hat seine Frau vernachlässigt und keine Kinder gezeugt.«
»Das hätte ich Ihnen auch sagen können! Ich glaube sogar, dass ich das bereits getan habe. Meistens ging er immer in irgendeinem Hobby völlig auf. Es ging das Gerücht, er sei an Jungs interessiert, aber ich glaube, dafür gab es nie einen Beweis. Ich hätte ihn auch eher für einen kastrierten Kater gehalten.«
Joe war mehr als bereit, Edgars Einschätzung von Bishans sexueller Ausrichtung als professionell und zuverlässig zu übernehmen.
»Kein großer Verlust!«, fügte Edgar noch hinzu und wiederholte damit die Ansicht von Sir George. »Seine Mutter trauert um ihn, aber sonst niemand.«
»War er so viel anders als sein Bruder Prithvi?«
»Tja, vergessen Sie nicht, dass sie nur Halbbrüder waren. Und ja, Prithvi war
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