Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Vernünftiger Bursche, weiß Dinge zu erledigen. Wir brachten es fertig, ein paar Ziegen zu kaufen und sie als Köder anzupflocken. Der Tiger hat angebissen, und wir konnten Blutspur und Fährte folgen. Ich glaube, am Ende war Claude davon ziemlich fasziniert!«
»Tun Tiger das? Am Tag jagen?«, fragte Joe.
»Ja, ausschließlich tagsüber. Leoparden greifen dagegen nachts an.«
»Wie groß ist das betreffende Gebiet?« Edgar betrachtete die Skizze, die Colin ihnen reichte.
»Tja, du weißt doch, dass Tiger feste Territorien haben?«
Joe spürte, dass Colin das Problem in Worte fasste, die er, ein Neuling im Dschungel, verstehen konnte.
»Jeder Tiger hat die Vorherrschaft in einem bestimmten Gebiet, schlägt darin seine Beute und verteidigt es gegen andere Tiger. Dieser hier hat drei Dörfer auf seiner Einkaufsliste. Hier, seht.« Colin zog eine Linie um das äußere Ende seiner Karte und zeigte auf die drei Siedlungen innerhalb der Linie. »Übrigens handelt es sich nicht um einen Tiger. Es ist eine Tigerin. Ich habe Berichte von einigen Leuten gehört, die sie gesehen haben, und ich habe ihre Spuren gesehen. Sie ist ein großes Weibchen, möglicherweise über drei Meter lang. Wenn sie irgendwo Junge versteckt hat, wird sie ziemlich schlechter Laune sein.«
»Aber warum frisst ein Tiger plötzlich Menschen?«, erkundigte sich Joe. »Das tun sie normalerweise doch nicht, oder?«
»Nein, der Tiger ist wohlerzogen. Er nimmt viel auf sich - wenn auch nicht alles, denn er ist auch stolz -, um Menschen aus dem Weg zu gehen. Aber manchmal gelten die Regeln der Natur nicht mehr. Wie in diesem Fall. Die Spuren, die ich in der Nähe von Di-lakot gefunden habe, zeigen, dass die Tigerin verwundet sein muss. Die rechte Vorderpfote ist stark nach innen gedreht, praktisch nicht zu benutzen. Was immer unserer Bestie zugestoßen ist, es führte dazu, dass sie ihre Beute nicht länger jagen und angreifen kann. Sie hat weder das Tempo noch die Kraft dazu. Um zu überleben, stürzt sie sich auf leichtere, langsamere Wesen, die sich nicht selbst verteidigen können. Wir glauben, dass sie zuerst Rinder angriff und dann, als sie zunehmend kraftlos wurde, Männer, Frauen und Kinder tötete. Es gibt keine Berichte von Jägern, die einen Tiger verletzten und das Tier dann im Wald sich selbst überließen -auf diese Weise entsteht normalerweise ein Menschenfresser -, also müssen wir annehmen, dass die Tigerin bei einem Kampf oder durch eine Falle verletzt wurde. Ach ja, die Sache hat noch einen Haken:
Vor ungefähr zwei Wochen hat eine Dorfbewohnerin eine Sichel nach der Tigerin geworfen - sie hatte kurz zuvor deren Tochter gerissen -, und die Frau ist sicher, dass sie das Tier im Auge getroffen hat. Wir haben es also mit einer halb blinden, hinkenden Tigerin zu tun. Klingt nach einem Kinderspiel, nicht? Aber gerade diese Verletzungen machen sie verzweifelt und gerissen und lassen sie Ausschau nach immer leichteren Opfern halten.« Colin schwieg. »In der letzten Woche wurden fünf Kinder getötet. Die Dorfbewohner sind verängstigt, voller Trauer und Wut. Die Männer haben sich einverstanden erklärt, sich als Treiber zur Verfügung zu stellen, wenn ihnen die königliche Jagd mit all ihrem Pomp und Gepränge zu Hilfe eilt.«
Joe hörte eine gewisse Missbilligung aus seiner Stimme heraus. »Ist das nicht das Richtige, Colin?«
»Lassen Sie es mich so formulieren: Ich hätte es anders gemacht! Ich wäre still und leise mit Edgar
losgezogen - hätte nicht einmal Sie mitgenommen, Joe! Nur eine Hand voll ausgewählter Treiber. Wir hätten uns Zeit gelassen und die Aufgabe sauber erledigt. Die effizienteste Weise, einen Tiger zu jagen, besteht schlicht und ergreifend darin, seine Beute zu finden - nicht schwierig, wenn man die Ziege oder das Kalb selbst anpflockt -, und dann den Schleifspuren zu folgen und sich bei der Beute zu verstecken, bis der Tiger am nächsten Tag wiederkommt. Es verläuft nicht immer alles nach Plan - Tiger sind schlau, und ihre Sinne sind etwa zehnmal schärfer als unsere. Irgendwann sitzt man dann im Wald und denkt, dass man selbst gejagt wird - und sie sind darin sehr viel geschickter.«
»Klingt fwchteinflößend!« Joe konnte einen Schauder nicht unterdrücken.
»Das kann es auch sein. Und ich sage Ihnen, was am furchteinflößendsten ist: Wenn Sie allein hinter einem Menschenfresser her sind und Ihre Sinne Ihnen sagen, dass er ganz in der Nähe ist. Sie folgen seinen Spuren, pirschen sich zwischen
Weitere Kostenlose Bücher